pm 17/05: Bundestags-Kandidaten debattierten Bürgerrechtsthemen – HU-Podiumsdiskussion im Rathaus

„Ich habe gelernt, dass auch Politiker kurz reden können.“ Mit diesen Worten fasste der Marburger HU-Ortsvorsitzende Franz-Josef Hanke am Donnerstag (25. August) eine Veranstaltung der Humanistischen Union (HU) zur Bundestagswahl zusammen. Die Befragung unter dem Titel „Wie halten Sie es mit den Bürgerrechten?“ war die erste gemeinsame Runde der Marburger Kandidaten in diesem Wahlkampf. Die Direktkandidaten Sören Bartol (SPD), Frank Gotthardt (CDU), Elke Siebler (Bündnis 90/Die Grünen) und Pit Metz (Linkspartei/PDS) sowie Frank Jäger von der hessischen Landesliste der FDP standen dabei im Rathaus Rede und Antwort zu bürgerrechtlichen Fragen. Dragan Pavlovic, Hans Rink und Franz-Josef Hanke vom Vorstand des HU-Ortsverbands Marburg sowie Matthias Schulz als Vertreter des HU-Arbeitskreises „Erwerbslosigkeit und Soziale Bürgerrechte“ (ESBR) formulierten kurze Fragen zu vier Themenkreisen. Pavlovic wollte wissen, wie die Parteienvertreter zu direkter Demokratie, Volksbegehren und Volksentscheid stehen. Gotthardt sprach sich für direkte Demokratie vor allem auf denjenigen Ebenen aus, die die Bürger unmittelbar betreffen. Je näher am Bürger Entscheidungen getroffen würden, desto mehr plebiszitäre Elemente solle es geben. Größere Einflussmöglichkeiten habe die CDU in Hessen auch dadurch geschaffen, dass Bürgermeister und Landräte direkt vom Volk gewählt werden können. Als Abgeordneter trete er jedoch auch an, um unpopuläre Entscheidungen notfalls gegen Widerstände durchzusetzen. Jäger sprach sich für Volksbegehren und Volksentscheid auch auf Bundesebene aus. Bartol berichtete von dem Antrag der rot-grünen Koalition in Berlin, wonach Volksinitiativen und Volksentscheid im Grundgesetz verankert werden sollten. Die vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes habe jedoch die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlt, da CDU und FDP nicht zugestimmt hätten. Siebler sprach sich ebenfalls für mehr direkte Demokratie in Deutschland aus. Gemeinsam mit der SPD habe ihre Partei versucht, diese Vorstellungen voranzutreiben. Metz argwöhnte, dass über der Grundsatzdiskussion zu Plebisziten die Möglichkeit einer Volksbefragung zur EU-Verfassung bewusst verhindert worden sei. Dahinter habe die Befürchtung gestanden, das Volk könnte den Entwurf ebenso wie in den Niederlanden und Frankreich auch in Deutschland ablehnen. Rink verwies auf zwei Entscheidungen zum „großen Lauschangriff“. Darin hatten Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht enge Grenzen für den Eingriff in die Privatsphäre gezogen. Vielen Politikern und Polizeipraktikern reiche das jedoch nicht aus. Er wollte deshalb wissen, wie die Anwesenden dazu stehen. Bartol sah in den Entscheidungen eine gute Grundlage. Die Bundesregierung habe dazu ja einen Entwurf eingebracht. Für ihn schaffe sie damit einen gangbaren Weg zum Schutz der Privatsphäre. Der SPD-Bundestagsabgeordnete sprach sich gegen die „ausufernde Telefon-Überwachung“ aus. Gotthardt sah in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Problem. Die Auflage, den Abhörvorgang bei privaten Gesprächen sofort abzubrechen, hält er für nicht praktikabel. Ein Richter könne jedoch die Verwertbarkeit entstandener Aufnahmen beurteilen und gegebenenfalls ihre Löschung anordnen, schlug er vor. Der CDU-Landtagsabgeordnete hält das Abhören zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und des Terrorismus für notwendig. Keineswegs dürfe aber der Terrorismus als Begründung dazu dienen, Freiheitsrechte ohne Not einzuschränken. Jäger sprach sich gegen den „großen Lauschangriff“ aus. Es sei ein Fehler gewesen, dass die FDP diesem Vorhaben unter der Kanzlerschaft Helmut Kohls zugestimmt habe. Hier schloss er sich der Position seiner Parteifreundin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger an, die seinerzeit aus Protest dagegen als Justizministerin zurückgetreten war. Metz sprach sich dafür aus, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Maßstab aller Entscheidungen zu machen. In diesem Zusammenhang betrachte er den „großen Lauschangriff“ in der Regel als unverhältnismäßig. Siebler hält die bestehende Regelung hierzu für ausreichend. Hanke sprach die für November geplante Einführung neuer Reisepässe an. Seine Frage war, ob die Kandidaten diese mit RFID-Chips und biometrischen Daten ausgestatten Personaldokumente für sicher halten und befürworten. Siebler verwies auf die Bedenken des Bundesdatenschutzbeaufragten Peter Schaar. Die neuen Personaldokumente seien noch nicht ausgereift. Metz wandte sich gegen Ausweise mit biometrischen Daten. Er sieht darin ein Einfallstor für weiteren Datenhunger. Deswegen sprach er sich auch gegen genetische Untersuchungen beispielsweise von Arbeitnehmern aus. Jäger hält die vorhandenen Personaldokumente für absolut ausreichend. Sie seien weitgehend fälschungssicher. Gotthard verwies darauf, dass auch die bestehenden Papiere bereits „biometrische“ Daten enthielten. Wichtig bei der Einführung neuer Dokumente sei, dass die Speicherung auf wenige Merkmale wie das Bild und den Fingerabdruck begrenzt werde. Bartol merkte an, dass die Bundesregierung im Zuge der Vorbereitung europaweiter Personaldokumente darauf bestanden habe, dass die RFID-Chips nur dann ausgelesen werden können, wenn das jeweilige Dokument in ein Lesegerät eingelegt ist. Er hält es für wahrscheinlich, dass auch die neuen Systeme irgendwann geknackt werden könnten. Schulz fragte nach der Zukunft des Arbeitslosengeldes II (ALG II). Er wollte wissen, ob die Politiker die Erwerbslosen bereits abgeschrieben haben und ob sie eine Anpassung der Leistungen des ALG II an die Inflation vorsehen. Gotthardt betrachtet die Arbeit des Kreisjobcenters (KJC) im Landkreis Marburg-Biedenkopf als Erfolg. Er erklärte, für ihn habe die Eingliederung möglichst vieler Menschen in den „ersten Arbeitsmarkt“ absolute Priorität. Dazu müssten die Rahmenbedingungen der Wirtschaft verbessert werden. Deswegen plane die CDU eine Mehrwertsteuer-Erhöhung, um damit die Lohnnebenkosten zu senken. Eine Anpassung des ALG II an die Inflationsrate sei notwendig. Doch müssten Einkommen aus regulärer Arbeit merklich höher liegen als das ALG II. Jäger sprach sich ebenfalls für verbesserte Rahmenbedingungen der Wirtschaft aus. Er nannte dabei auch den Abbau von Bürokratie. Bartol hatte sich ursprünglich das Modell einer Arbeitsgemeinschaft (ArGe) zwischen Bundesagentur für Arbeit (BA) und Landkreis auch in Marburg gewünscht. Nachdem der Kreis jedoch die Option gezogen habe, die Langzeit-Arbeitslosen selbst zu betreuen, unterstütze er ihn dabei nach Kräften. Der SPD-Bundestagsabgeordnete sprach sich auch für eine Anpassung des ALG II an die Inflationsrate aus. Siebler freute sich über die Erfolge des KJC. Sie seien vor allem dem Engagements ihres Parteifreunds Dr. Karsten McGovern zu verdanken. Metz hingegen bezeichnete Hartz IV als größten sozialpolitischen Fehler der bundesdeutschen Politik. Dadurch werde auch Druck auf die Beschäftigten erzeugt, die so zu Lohn-Dumping gezwungen würden. In der anschließenden Publikumsrunde wurden vor allem die Themen „Hartz IV“ und „Direkte Demokratie“ weiter vertieft. Pünktlich um 22 Uhr forderte Hanke in seinem Schlusswort schließlich die Anwesenden auf, ihr Wahlrecht unbedingt wahrzunehmen. Wer auch immer das Direktmandat in Marburg erringe, die Bürgerinnen und Bürger sollten ihre politischen Anliegen bei Bedarf direkt an ihren Vertreter im Bundestag herantragen: „Treten Sie Ihrem Abgeordneten auf die Füße!“ Den Bewerbern wünschte der HU-Ortsvorsitzende einen fairen und nicht allzu harten Wahlkampf sowie Gesundheit und Erfolg. Den Wahlkreis freilich könne letztlich nur einer der fünf Direktkandidaten erringen. Doch Hanke zeigte sich zuversichtlich, dass Marburg auch im nächsten Bundestag kompetent vertreten werde.

Dragan Pavlovic

Über dp

Pressesprecher der HU Marburg

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