Der Rüthli-Schwur gegen Gewalt – Wie Politiker das Übel bei der Wurzel anpacken wollen

Auf einmal kommen alle aus der Deckung. Jeder hat es schon immer gewusst: Für die Integration junger Ausländer muss mehr getan werden!
Nachdem die Lehrer der Berliner Rüthli-Schule einen Hilferuf abgesetzt haben, können die Verantwortlichen nicht länger die Augen vor der Misere verschließen. Sie müssen handeln. Und das tun einige mit sehr markigen Worten.
„Ordnung“ wollen sie wieder herstellen durch so vorbildliche Maßnahmen wie den überkommenen Karzer. Das war vor gut 100 Jahren eine Art schulinterner Arrestzelle. Dort hinein wurde gesperrt, wer sich nicht „ordentlich“ verhalten hatte.
Wenn Schüler sich nicht korrekt verhalten, sollen die Eltern nach dem Willen einiger Politiker dafür zahlen. Oder aber sie sollen gleich abgeschoben werden!
So oder ähnlich wollen Politiker der Gewalt unter Jugendlichen zu Leibe rücken. Was ihnen da eingefallen ist, ist aber auch nur eine recht hilflose Form staatlicher Gewalt.
Dass manche diese Formen von Repression schon verinnerlicht haben, das mussten Schülerschaft und Lehrkörper der Kaufmännischen Schulen in Marburg kürzlich auf empörende Weise mit ansehen: In Handschellen wurde ein Schüler aus dem Unterricht abgeführt, um ihn anschließend abzuschieben!
Doch auch bei Abschiebungen gilt der verfassungsmäßige Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel: Handschellen oder gar körperliche Gewalt sind überhaupt nur dann rechtens, wenn von dem Inhaftierten seinerseits eine ernsthafte Gefahr ausgeht. Wenn Marburger Polizeibeamte einen Jugendlichen nur in Handschellen abführen können, ist das ein echtes Armutszeugnis für die Polizei!
Mit solchen Methoden wird man der Gewalt nichtentgegenwirken! Sinnvoll wäre vielmehr, den Wurzeln der Gewaltbereitschaft von Jugendlichen aus Migranten-Familien auf den Grund zu gehen.
Sind es nicht vor allem Perspektivlosigkeit und die Entwurzelung aus kulturellen Strukturen, die Halt und Heimat bieten könnten?
Den jungen Leuten – auch vielen deutschen – fehle ein Kanon an Werten, an dem sie sich orientieren. Diese Einschätzung hört man immer wieder.
Derartige Werte könnten beispielsweise Gemeinsinn, Solidarität oder Respekt vor anderen und ihrer Würde sein. Das zumindestens sind wichtige Werte einer demokratischen Gesellschaft.
Wie aber sollen junge Leute solche Werte akzeptieren oder gar selbst entwickeln, wenn die Gesellschaft ihnen etwas ganz anderes vorlebt: Mit der Praxis des Arbeitslosengeldes II (ALG II), der sogenannten „Gesundheitsreform“ und der Einbürgerungsdebatte führen die Politiker den Jugendlichen vor, dass sie nicht ein Fünkchen Respekt vor der Menschenwürde von Erwerbslosen, Kranken, Alten, Behinderten oder Menschen ausländischer Herkunft haben.
Als Erstes sollte man also nicht eine Polizeistreife vor eine Schule postieren, wo sie nach drei Tagen ohnehin wieder abgezogen wird, sondern die Politiker zum Respekt vor allen Menschen ohne Ansehen der Person auffordern. Doch leider wird diese Forderung wohl nur ein unerfüllter Wunsch bleiben!

Franz-Josef Hanke

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