Es war vorauszusehen: Kaum hatte Nicolas Sarkozy am Sonntag (6. Mai) die Präsidentschaftswahl in Frankreich gewonnen, da drohten gleich mehrere Politiker sofort mit einem Wiederauferstehen der EU-Verfassung.
Bei Volksabstimmungen hatten die Franzosen und die Niederländer im Frühjahr 2005 den Verfassungsentwurf mehrheitlich verworfen. Deswegen hatten ihn die europäischen Staatschefs vorübergehend auf Eis gelegt. Nun aber scheinen sie Morgenluft zu wittern: Einige Passagen sollen herausgestrichen und das Ganze dann unter einem neuen Namen verabschiedet werden.
Der künftige französische Präsident Sarkozy sei mit seinem Wahlergebnis von gut 53 Prozent stark genug, um diesen Entwurf unter einem anderen Namen auch ohne neuerliche Volksabstimmung durchzusetzen, meinte Martin Schulz. Der deutsche Sozialdemokrat ist Vorsitzender der Sozialistischen Fraktion im Europa-Parlament. Vor allem aber ist er ein Machtpolitiker!
Das zeigt diese Äußerung ganz deutlich. Sie transportiert das offene Eingeständnis der gezielten Irreführung des Volkes!
Für wie dumm halten Schulz und seine Kollegen die Bevölkerung Europas eigentlich? Glauben sie etwa, dass niemand merken würde, wie sie die Menschen über den Tisch ziehen?
Demokratie scheint für sie nur ein leeres Wort zu sein. Angesichts solcher Politiker degeneriert sie leider auch mehr und mehr zu purer Propaganda.
Längst folgt die Wahlkampf-Werbung den selben Regeln wie die klassische Reklame. Nicht die Inhalte zählen, sondern die Gefühle, die man bei den Menschen auslösen kann.
Neben Firmen sind deswegen inzwischen auch zahlreiche staatliche Organisationen in die virtuelle Welt Second Life (SL) eingestiegen. Neben einem Adidas-Geschäft, Mercedes-Benz, BMW oder einer Post-Filiale findet man dort auch ein Büro von Greenpeace, eine virtuelle schwedische Botschaft sowie eine Repräsentanz des Bundeslands Baden-Württemberg.
Zunehmend wird „Second Life“ auch als Wahlkampf-Plattform von Parteien und Politikern genutzt: Neben der rechtsextremen „Front National“ werben dort auch die französischen Präsidentschaftskandidaten Segolène Royal und Nicolas Sarkozy.
Sie tun das nicht ohne Grund: Das seit 2003 online verfügbare System hat inzwischen mehr als sechs Millionen registrierte Nutzer, von denen rund um die Uhr durchschnittlich zwischen 15.000 und 38.000 ihr „second life“ aktiv „erleben“.
Nachdem sie nun ihre entscheidende „Schlacht“ um die Voten der Franzosen geschlagen haben, werden Royal und Sarkozy ihre Aktivitäten in dieser virtuellen Welt wahrscheinlich wieder ein wenig zurückfahren. Stattdessen widmen sich beide nun der Ausweitung ihrer Macht: Royal will bei der anstehenden Parlaments-Wahl so gut abschneiden, dass Sarkozy nicht ohne ihre Sozialistische Partei regieren kann. Sarkozy hingegen möchte diese „Cohabitation“ möglichst vermeiden.
Errungen hat der konservative Politiker seinen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl nicht zuletzt auch dank Stimmen der Rechtsradikalen. Direkt nach der Wahl gab er sich zwar sehr staatsmännisch und äußerte seinen Respekt vor der harten Gegenkandidatin Royal.
In einigen Banlieus protestierten junge Leute dennoch lautstark gegen seinen Wahl-Erfolg. Sie erinnerten sich noch seines markigen Spruchs, man solle die Protestierer doch mit dem „Kercher“-Hochdruckreiniger von der Straße fegen.
Ungerührt von solchen „Kleinigkeiten“ gratulierten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Horst Köhler dem französischen Politiker zum neuen Posten. Merkel bekundete ihre Erwartung, die „traditionell gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich“ werde unter Sarkozy fortgesetzt.
Insgeheim aber fürchtet sie vermutlich, dass sie es mit ihm schwerer haben wird als mit seinem Vorgänger Jaques Chirac. Denn der Sohn ungarischer Einwanderer ist ein knallharter Machtpolitiker.
Knallhart wird er dem französischen Volk schon bald das servieren, was die Mehrheit am 29. Mai 2005 nicht schlucken wollte: Die neoliberal ausgerichtete EU-Verfassung.
Dummdreist wird er diese bittere Pille in neuem Gewand als „heilsame“ und „notwendige“ Medizin verkaufen. Schließlich beherrscht auch er das Spiel der etablierten Politiker mit einer gezielten Vernebelung der Sprache.
Die Bürgerinnen und Bürger in Europa aber schauen in die Röhre. Sie können nur darauf hoffen, dass der vielbemühte Nimbus der Franzosen als kämpferisches Volk nach dieser Wahl nicht ad Acta gelegt werden muss.
„Kick it like Frankreich“ lautet der Titel eines Films von Martin Kessler über Proteste auf deutschen Straßen. Sein nächster Film sollte dann wohl „Don“t vote like Frankreich!“ heißen.
Franz-Josef Hanke