Gegen Hass und Hetze: Zum 100. Todestag von Rosa Luxemburg

Sie war eine empfindsame Poetin und eine scharfzüngige Agitatorin. Am 15. Januar 1919 wurde Rosa Luxemburg ermordet.
An ihren Geliebten Leon Jogiches schrieb Luxemburg einen Brief, während er im Nebenzimmer saß und mit Genossen diskutierte. In ihrem Text fächert sie die ganze Palette der Gefühle von Liebe über Zweifel, Angst , Hass und Trauer bis hin zur erneuten Hoffnung auf. Emanzipationswünsche formuliert sie ebenso wie Selbstzweifel und die romantischen Gefühle einer empfindsamen Frau für einen – anfangs noch – überlegenen Mann.
Begeistern konnte diese kleine behinderte Frau ihre Zuhörer bei Massendemonstrationen und Reden vor Streikenden. Mitreißend war ihre Rhetorik und ausgefeilt ihre Sprache. Dabei war Luxemburg gebürtige Polin und keine deutsche Muttersprachlerin!
Beeindruckt hat mich am meisten aber ihr analytischer Verstand und ihre hellsichtige Kritik an Vladimir Iljitsch Uljanow alias „Lenin“. Sie kannte ihn persönlich und schätzte ihn, bevor er die Oktoberrevolution in Russland mit viel Glück und starker Unterstützung aus dem unterdrückten Volk zum Erfolg führte. Angesichts der Machtausübung der nun herrschenden „Eliten“ wurde sie dann jedoch zu einer klugen Warnerin.
„Freiheit ist auch die Freiheit des Andersdenkenden“, erklärte sie. Oft wird dieses Zitat aus dem Zusammenhang gerissen, oft sein Gebrauch deswegen kritisiert. Doch Luxemburg erklärte deutlich, dass Fortschritt nur in geistiger Freiheit und die Entwicklung von Demokratie nur in pluralistischer Vielfalt möglich ist.
Auch gegenüber Karl Liebknecht, den der faschistische Hauptmann Waldemar Papst am selben Tag ermorden ließ wie Luxemburg, hegte sie Kritik. Ihr war seine und Ernst Thälmanns Hinwendung zu den Kommunisten in Moskau zu unkritisch. Luxemburg plädierte für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft von unten her anstelle einer elitären „Diktatur des Proletariats“, wobei sie selbst ihre Variante auch als „Diktatur des Proletariats“ über die Kapitalinteressen bezeichnete.
Wie wichtig Luxemburgs Ansatz einer freien Auseinandersetzung über politische Ziele ohne Unterdrückung Andersdenkender ist, zeigt gerade erst der aktuelle Fall des Mords am Danziger Stadtpräsident Pawel Adamowicz. Der 53-jährige Jurist trat in herausragender Weise für die Rechte von Homosexuellen und Geflüchteten ein. Dem von ihm gebrandmarkten Hass und menschenverachtender Hetze ist er am 14. Januar 2018 selbst zum Opfer gefallen.
Ein ähnliches Schicksal ereilte 100 Jahre zuvor auch Rosa Luxemburg. Sie wurde am 15. Januar 1919 ermordet. Anschließend warfen Faschisten ihre Leiche in den Berliner Landwehrkanal.
Ihr Gedenken zu ehren, bedeutet für mich das Eintreten für Meinungsfreiheit und soziale Gerechtigkeit. Zugleich heißt es, die eigene Empfindsamkeit und Empathie auszuleben und für zukunftsweisende Ideen oder Utopien zu streiten. Die kleine behinderte Frau aus Polen ist und bleibt für mich eine der größten Demokratinnen in Deutschland.