Nie mehr niederknien: Anregungen zum Tag des Flüchtlings

Der 20. Juni ist der „Tag des Flüchtlings“. Aus diesem Anlass veröffentliche ich hier einige unausgereifte Überlegungen zu einer humaneren Migrationspolitik.

Diese Gedanken mögen als Anstoß zu weiteren Debatten dienen. Ziel ist dabei der Wunsch nach politischen Veränderungen zugunsten derjenigen Menschen, die – aus unterschiedlichsten Gründen ihr Land verlassen und nach Europa kommen. Auslöser ist meine Scham über die menschenverachtende Politik der Bundesregierung wie auch der Europäischen Union (EU) im mittelmeer sowie über den Umgang mit Geflüchteten in Deutschland.
Zuallererst muss das – derzeit leider rassistisch strukturierte – BAMF von der Zuständigkeit des Innenministers in die des Sozialministeriums überführt werden. Wenn der Name „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ ernstgenommen würde, dann darf diese Behörde nicht – wie derzeit leider weitestgehend – eine rassistisch ausgrenzende Praxis gegen Geflüchtete umsetzen. Ihre Arbeit muss vielmehr darin bestehen, den Ankommenden die notwendige Unterstützung zu gewähren.
Dafür ist die Entscheidung über eine Anerkennung des Status als Geflüchteter oder die Gewährung von politischen Asyl weitgehend aus dem BAMF herauszulösen. Vielmehr sollte das Grundgesetz in seiner Ursprungsfassung aus dem Jahr 1949 konsequent verwirklicht werden. Darin stand „Politisch Verfolgte genießen Asyl“ ohne jegliche weitere Einschränkung. Aus gutem Grund und oft eigener bitterer Erfahrung hatten die Mütter und Väter des Grundgesetzes diese klare Frmulierung in den verfassungsmäßig garantierten Grundrechten verankert. Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung während der Nazi-Diktatur wie auch in den Jahren danach sollte Mahnung sein, jede Einschränkung des Asylrechts als einen Ansatz impliziger Holocaustleugnung zu ächten. Antisemitismus und Rassismus sind siamesische Zwillinge, deren Verwandtschaft mit dem Faschismus offensichtlich ist. Deshalb sollten Kreise und Gemeinden Ausschüsse bilden, in denen Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Verwaltung, von Ausländerbeiräten und Flüchtlingshilfe, Wohlfahrtspflege und Psychotherapie alle Ankommenden möglichst bald nach ihrem Grenzübertritt anhören. Aufgabe dieser Gremien sollte ein individueller Hilfsplan für die Befragten sein, der dann durch das BAMF geprüft und finanziert wird. Nur in Ausnahmefällen bei berechtigter Besorgnis über die Lauterkeit der Ankömmlinge können diese Ausschüsse dem BAMF eine weitergehende Befragung und Prüfung der jweiligen Bewerbung empfehlen.
Die Zuweisung geflüchteter Menschen sollte sich in erster Linie an deren Wünschen und der Aufnahmebereitschaft der angefragten Gemeinden oder Städte orientieren. Städte und Gemeinden sollten für jede Aufnahme vom Bund mit Mitteln entgolten werden, die alle entstehenden Kosten einschließlich der sozialen Erfordernisse decken.
Die Unterbringung der Geflüchteten sollte in Wohngruppen möglichst mitten in der jeweiligen Gemeinde oder Stadt erfolgen. Größere Unterkünfte sind nicht nur aus hygienischer Sicht gefährlich, sondern auch wegen der damit verbundenen Isolation und dadurch erschwerter Integration der Bewohnerschaft.
Die Anerkennung des Asylbegehrens muss der Normalfall sein. Er ist ohne jede Begründung dadurch gerechtfertigt, dass die Betroffenen ihre angestammte Heimat verlassen und die beschwerliche sowie oft auch gefährliche Reise nach Deutschland unternommen haben. Eine weitergehende Prüfung des Asylbegehrens und die anschließende Verweigerung sind nur dann akzeptabel, wenn kriminelle Aktivitäten erkennbar sind oder ein offenkundiger Missbrauch deutlich wird. Angesichts der Vorerfahrungen vieler Bewerberinnen und Bewerber sowie nach wie vor kolionialistischer Strukturender Weltwirtschaft stellt ein inquisitorisches Asylverfahren eine erneute Form struktureller Gewalt dar, die mögliche traumatische Erfahrungen wieder aufreißen kann. Die bisherige Asyl- und Migrationspolitik beruht leider nach wie vor auf kolonialstiischen Denkmustern. Zudem leugnet sie die Verantwortung Europas für die Zerstörung sozialer Strukturen in den Herkunftsländern der meisten Flüchtlinge.
Ablehnungen von Asylanträgen müssen deshalb ausführlich begründet werden. Die Anerkennung hingegen erfolgt automatisch, wenn der Asylbewerber länger als ein halbes Jahr in Deutschland gemeldet war.
Nach fünf Jahren erhalten alle die Einladung zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft. Wer als Kind oder Jugendlicher unter 18 Jahren eingereist ist, der erhält die deutsche Staatsbürgerschaft nach Ablauf von drei Jahren automatisch, sofern gegen ihn keine strafrechtlichen Ermittlungen aktenkundig sind.
Wohnortnahe Einrichtungen der Traumatherapie sind den Betroffenen ebenso vorzustellen wie andere soziale Einrichtungen. Automatisch erhalten alle einen Monat nach Ankunft in Deutschland eine Krankenkarte und die gleichen Sozialleistungen wie Einheimische.
Alle Geflüchteten, die im Kirchenasyl unterstützt wurden oder werden, erhalten auf Wunsch umgehend die deutsche Staatsbürgerschaft. Geflüchtete werden in die Kommissionen mit einbezogen, die neu ankommende Flüchtlinge beraten. Nach dem Prinzip des „Peer Counceling“ können sie Neuankommenden wahrscheinlich die besten Ratschläge erteilen. Eine Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in diktatorisch regierte Länder, Gegenden und Länder, in denen Krieg oder bewaffnete Konflikte herrschen, sowie in Hungergebiete wird als Verbrechen unter Strafe gestellt. Alle, die sich daran beteiligen, machen sich damit strafbar wegen der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Betroffenen.
Das sind nur einige Gedanken, die ich mir anlässlich des „Tags der Flüchtlinge“ gemacht habe. Sie sind noch nicht ausgereift und schon gar nicht vollständig. Vielleicht können sie aber der Anlass sein für weitere konstruktive Diskussionen darüber, wie dem institutionalierten Rassismus der drzeitigen Asylpolitik zu begegnen ist.