Auf Knien gebetet: Nieder mit Kolonialismus und Rassismus!

Rassismus und Kolonialismus sind tief verwurzelt in der Menschheitsgeschichte. Schon in der Antike haben Kriegsheren andere Völker mit Krieg überzogen und die Besiegten versklavt.
In der Bibel war es die Stadt Babylon, deren Herrscher Nebukadnezar das Volk Israel in die Gefangenschaft führte. Die Millionenstadt an den Ufern von Euphrat und Tigris konnte ihre hohe Kultur mit dem gigantischen Turm und den „Hängenden Gärten“ nur dank seiner kolonialistischen Kriege erreichen. Das biblische „Sprachengewirr“ im Alten Testament dürfte die früheste Überlieferung einer Mulit-Kulti-Gesellschaft darstellen, der die Israeliten freilich entrinnen wollten.
iwar Die alten Griechen nannten Menschen aus anderen Kulturen „Banausen“. Die Römer beschimpften sie als „Barbaren“, weil sie Bärte trugen, während die „kultivierten“ Römer ihr Gesicht rasierten.
„Alexander der Große“ kolonialisierte ein riesiges Weltreich. Gajus Julius Cäsar brachte das römische Reich zu seiner größten kolonialistischen Größe. Auch die antiken Ägypter und Phönizier unterdrückten andere Völker und raubten deren Reichtümer.
Kolonialherren gelten in der Geschichte als „groß“, weil sie große Verbrechen begingen und dadurch große Reichtümer und noch größere Macht errangen. Macht und Reichtum sind seit Jahrtausenden eng verknüpft mit der Unterdrückung anderer Völker und der Bereicherung an ihren Bodenschätzen, ihren landwirtschaftlichen Erzeugnissen und ihrer Kultur bis hin zur Versklavung der Menschen.
Auch die Geschichte des Christentums ist seit mindestens 800 Jahren eine Geschichte der Missionierung durch Unterdrückung und Kolonialisierung. Spätestens mit den Kreuzzügen paarten sich Macht und Militarismus mit Rassismus und Antisemitismus.
Die Frauenfeindlichkeit der katholischen Kirche besteht bis heute weiterhin fort. Für die – in ihrem Namen gebangenen – Verbrechen in Form von Hexenverfolgung, Kreuzzügen, gewaltsame Missionierung und Unterstützung von Kriegen hat sie sich bislang noch nicht konsequent entschuldigt. Vielmehr herrschen die Ausgrenzung von Frauenund Homosexuellen ebenso fort wie die Militärseelsorge und die Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen aufgrund rassistischer Vorurteile.
Auch die Evangelische Kirche hat den Antisemitismus ihres „Heiligen“ Martin Luther noch nicht genügend aufgearbeitet. Auch er hat frauenfeindliche Reden gehaltenund sogar zum Mord an aufständischen Bauern aufgerufen. Eine Religion des Friedens und der Vergebung kann und darf solche Menschenverachtung und solchen Hass nicht einfach übergehen.
Natürlich muss man Menschen und ihre Aussagen sowie ihr Handeln immer aus den Bedingungen ihrer Zeit und ihres Umfelds betrachten und erklären. Doch irgendwann muss dem Philosophen Immanuel Kant wohl auch gedämmert haben,dass seine rassistischen Äußerungen im Frühwerk wohl seinen eigenen Erkenntnissen zum Kategorischen Imperativ und seiner Schrift „Vom ewigen Frieden“ widersprechen. Widerrufen hat er seine entsprechenden Positionen dennoch nicht explizit.
Robert Koch hätte wissenkönnen, dass seine Beteiligung an medizinischen Experimenten in Afrika unmenschlich ist und gegen den Hippokratischen Eid des Arztes verstößt. Auch wenn er viel Gutes getan hat für die medizinische Entwicklung und die Hygiene in Deutschland, bleibt deshalb ein Makel auf seinem „weißen“ Kittel zurück. Nazi-Ärzte wie Josef Mengele konnten sich später immerhin darauf berufen, dass angeblich „minderwertiges Leben durchaus auch für „verbrauchende“ Experimente genutzt werden könne.
All diese Erkenntnisse gewinnt die Wissenschaft aus den Kenntnissenheraus, die heute verfügbar sind. Insofern ist moralische Empörung in manchen Fällen wohlfeil, obwohl die belasteten Personen heute nicht mehr als Vorbild taugen, sofern sie das jemals hätten. Arroganz steht den Heutigen nicht zu, wohl aber kritische Distanz.
Manches Denkmal mag man mit Recht vom Sockel stoßen, da sein Anblick mitfühlenden Menschen nicht mehr zumutbar ist; andere kann man durch entsprechende Diskussionen und Hinweise ein Stück vom Sockel herabholen zu einer fehlbaren Figur mit Schwächen. Jeder Einzelfall bedarf da gründlicher Diskussion.
Dass die Debatteüberfällig ist, sollte die Eifernden ermahnen, dass sie durch allzu viel Vehemenz möglicherweise nur ihr eigenes Gewissen beruhigen wollen, weil sie so lange selber auch geschwiegen haben. Die Auseinandersetzung mit Rassismus und Kolonialismus muss mehr Schattierungen aufzeigen als nur „Schwarz“ und „Weiß“. Sie sollte daran erinnern, dass der Wohlstand der „westlichen Welt“ nur durch die Unterdrückung vieler Völker Afrikas,Asiens und Lateinamerikas zustandegekommenist und immer noch dadurch festzementiert wird.
Der Klimawandel ist auch in erster Linie die Folge kolonialistischen Handels und zuviel vermeintlicher „>Zivilisation“. Solange sich in Europa Tausende allein in einer Tonne Blech fortbewegen und dabei das Erdöl aus dem Niger-Delta oder arabischen Ländern verbrennen, ist der SUV nicht nur ein Umwelt- und Klimaschädling, sondern auch eine Art rollender Kolonialismus.
Vielschichtige Debatten sind also unerlässlich, wennKritik an Kolonialismus und Rassismus nicht nur bloßes Lippenbekenntnis oder wohlfeile Sonntagsrede bleiben soll. Selbstkritik und Selbsterkenntnis sind ebenso nötig wie neue politische strukturen beispielsweise eines Liferkettengesetzes und eines Verbots des Einsatzes von Subunternehmen nicht nur in der sogenannten „Fleichindustrie“.
Letzten Endes geht es um Gewalt, die durch individuelles Handeln und vor Allem durch internationale Strukturen ausgeübt wird. Diese Kulturelle Gewalt“ und „Strukturelle Gewalt“, wie der Friedensforscher Johan Galtung diese Zusammenhänge nennt, ist Voraussetzung für eine friedliche Zukunft der Menschheit in Anerkennung der Begrenztheit der natürlichen Ressourcen. Wenn die Menschheit diesen Wandel nicht schafft, wird sie an dieser Gewalt oder ihren ökologischenund ökonomischen Formen zugrundegehen.

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