„Einen deutschen Herbst mit Straßensperren und Angst auf allen Seiten darf es nie wieder geben“, warnt Franz-Josef Hanke. Der Vorsitzende des HU-Ortsverbands Marburg tritt damit Plänen des Bundesinnenministers entgegen, der sich für umfassendere Fahndungsnetze der Polizei ausgesprochen hat.
Bezeichnenderweise in der „Bild-Zeitung“ vom 31. März hat Minister Kanther sich für Fahndungsaktionen von Polizei und Bundesgrenzschutz auch ohne konkreten Verdacht oder aktuelle Straftat ausgesprochen. Die Bundesländer forderte der Politiker auf, ihre Polizeigesetze dahingehend zu ändern, daß Personenkontrollen künftig jederzeit und ohne Begründung möglich gemacht werden.
„Bisher müssen die Fahnder wenigstens einen Verdacht äußern oder ihre Maßnahme mit einer bestimmten Tat begründen“, erklärt Hanke. „Kanther hingegen will eine Gummiregelung zugunsten polizeilicher Willküraktionen durchsetzen.“
In diesem Vorstoß sieht die Humanistische Union einen eklatanten Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Grundgesetzes. Freiheitsrechte dürfen demnach nur eingeschränkt werden, wo es triftige Gründe gibt; die Einschränkungen müssen so gering wie möglich gehalten werden. Unverdächtigte dürfen nur ausnahmsweise in Fahndungsmaßnahmen einbezogen werden.
Die Verfassung betrachtet Kanther aber als beliebiges Dispositionsobjekt, obwohl er einen Eid darauf geschworen hat“, klagt Hanke. Nachdem der CDU-Politiker den „Großen Lauschangriff“ ins Grundgesetz hineingepeitscht und danach – zu seinem großen Ärger nur mit teilweisem Erfolg – gesetzlich geregelt habe, blase er nun erneut zum Sturm auf die Freiheitsrechte der Bürger.
Manfred Kanther plant einen Überwachungsstaat, der der Polizei mehr Rechte einräumt als den Bürgerinnen und Bürgern“, resümiert Hanke. „Der Wesensgehalt unseres Grundgesetzes schränkt polizeiliche Macht aber aus gutem Grunde ein und zieht staatlicher Willkür enge Grenzen. Das haben die Mütter und Väter unserer Verfassung aus bitterer Erfahrung gelernt.“ Kanther hinngegen habe aus Faschismus und Stasi-Terror nur die Konsequenz gezogen, derartige Methoden in bundesdeutsches Recht zu übernehmen.
Als „lächerlich“ bezeichnet der HU-Ortsvorsitzende die ministerielle Begründung für diesen Vorstoß: „Wer Bürgerrechte einschränkt unter dem Vorwand, die organisierte Kriminalität zu bekämpfen, betreibt unverantwortliche Panikmache!“
Tatsächlich hat es im vergangenen Jahr bundesweit weniger als 900 Ermittlungsverfahren gegeben, die den Vorwurf „organisierte Kriminalität“ beinhalteten. Wie viele Ermittlungen davon im Sande verlaufen oder unbegründet geblieben sind, war nicht zu ermitteln.
Manfred Kanther benutzt nach Einschätzung der HU die verbreitete Furcht vor Mafia-Strukturen, um Freiheitsrechte gerade kritischer Bürgerinnen und Bürger einzuschränken. Vor allem aber will er sich mit diesem Polizei-Würgegriff nach Einschätzung der Humanistischen Union bei erzreaktionären Wählerkreisen einschmeicheln.
Lauschangriff und Kontroll-Ermächtigung – so argwöhnt die Bürgerrechtsorganisation – sind ein verzweifelter Versuch, verlorengegangene Mehrheiten vor der nächsten Bundestagswahl vielleicht doch noch retten zu wollen. Abschließend prognostiziert der HU-Vorsitzende: “ Wer die Bundesrepublik in einen Polizeistaat einsperren will, der ist in dieser demokratischen Gesellschaft nicht mehrheitsfähig.“
Dragan Pavlovic