Die Durchsetzung der verfassungsmäßigen Ordnung im Gebiet der Gemeinde Bad Endbach verlangt die Humanistische Union (HU). Bestürzt ist Deutschlands größte Bürgerrechtsorganisation über den Bruch des Datenschutzes und die Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Kindern durch die Leiterin des kommunalen Kindergartens.
In einem Offenen Brief fordert der HU-Ortsverband Marburg den Bad Endbacher Bürgermeister Jochen Becker auf, das Beten im gemeindeeigenen Kindergarten unverzüglich zu beenden:
Sehr geehrter Herr Becker,
mit Befremden hat die Humanistische Union (HU) von Gebeten im kommunalen Kindergarten des Bad Endbacher Ortsteils Wommelshausen erfahren. Mit noch größerem Befremden hat der HU-Ortsverband Marburg bei seiner letzten Sitzung einen Bericht des Wommelshäuser Bürgers Bernd Noll erhalten, in dem dieser die Marburger Mitglieder der ältesten deutschen Bürgerrechtsorganisation über sein Engagement in dieser Sache informiert hat. Danach hat Herr Noll Sie auf die Verfassungswidrigkeit Ihres Verhaltens mehrfach hingewiesen. Ebenso geschah dies auch in Veröffentlichungen der regionalen Presse.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Mai 1995 hat die Rechtslage eindeutig klargestellt: Danach haben in staatlichen Einrichtungen alle religiösen Beeinflussungen zu unterbleiben. Sollten Sie hier noch Informationsbedarf haben, so können Sie den Wortlaut der Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts (Aktenzeichen: 1BvR 1087/91) mühelos auch im Internet nachlesen (www.www.kanzlei.de/kruzi2.htm).Die Humanistische Union fordert Sie auf, Ihrer Dienstpflicht nachzukommen und dem Grundgesetz die – ihm zukommende – Geltung auch in der Gemeinde Bad Endbach zu verschaffen: Ändern Sie die Richtlinien des kommunalen Kindergartens! Weisen Sie das Personal auf die Rechtslage hin und untersagen Sie ihm, mit den Kindern zu beten! Die verfassungsmäßig verankerte Trennung von Kirche und Staat muss auch im Kindergarten von Wommelshausen gewährleistet werden. Es handelt sich dabei schließlich nicht um einen konfessionellen Kindergarten, wo Gebete zum Konzept der jeweiligen Träger gehören, sondern um eine von der Kommune getragene, mit Steuergeldern aller Bürgerinnen und Bürger finanzierte Einrichtung für alle Kinder von Wommelshausen.
Herr Noll steht mit seinem Anliegen in der Gemeinde Bad Endbach übrigens nicht allein. Auch andere konfessionslose Bürgerinnen und Bürger haben bereits ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Gemeinde und die Leitung des Kindergartens künftig verfassungskonform handeln.
Entsetzt ist die HU über Äußerungen anderer Einwohner, Herr Noll könne doch von Wommelshausen wegziehen. Die von der Verfassung verbrieften Rechte stehen jedem Bürger an jedem Ort der Bundesrepublik Deutschland uneingeschränkt zu. Ihre Aufgabe als Bürgermeister ist es, die Geltung des Grundgesetzes in Ihrem Zuständigkeitsbereich zu gewährleisten.
Die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Bad Endbach mögen sich zwar mehrheitlich durchaus für ein Gebet im Kindergarten aussprechen, doch rechtfertigt der Mehrheitswille keine Unterdrückung der Bürgerrechte einer Minderheit. Den Bürgerinnen und Bürgern von Wommelshausen steht es vielmehr frei, die Einrichtung eines konfessionellen Kindergartens zu unterstützen und ihre Kinder dann dorthin zu schicken. Außerdem können die Kinder vor oder nach einem Besuch des Kindergartens zu Hause beten, ohne dass dadurch in Rechte anderer eingegriffen würde.
Die Bürgerinnen und Bürger von Wommelshausen können nach Überzeugung der HU kein Interesse daran haben, dass ihre Gemeinde bundesweit Schlagzeilen macht als Ort, wo das Grundgesetz keine Geltung erhält.
Diesem Zustand muss unverzüglich abgeholfen werden. Die Humanistische Union wird Herrn Noll deshalb in seinem Bestreben unterstützen, die grundgesetzlich garantierte Trennung von Kirche und Staat und sein Recht auf Religionsfreiheit auch in seinem Wohnort durchzusetzen. Deutschlands größte und älteste Bürgerrechtsorganisation würde bedauern, wenn dies nur über eine Klage erreicht werden könnte.
Aus diesem Grunde erwarten wir Ihr eindeutiges Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die unverzügliche Abschaffung der rechtswidrigen Beeinträchtigung eines Kindes.
Mit freundlichen Grüßen
Franz-Josef Hanke
Dragan Pavlovic