Für das sogenannte „Cochemer Modell“ zur Regelung des Sorgerechts hat sich die Humanistische Union (HU) ausgesprochen. Nach seinem traditionellen Neujahrsessen am Sonntag (9. Januar) forderte der HU-Ortsverband Marburg die Bundesregierung auf, das „Cochemer Modell“ im Familienrecht zu verankern. Den Familiengerichten empfahl die Bürgerrechtsorganisation, auch schon vorher nach dem Vorbild ihrer Cochemer Kollegen zu verfahren.
In Cochem arbeitet das Familiengericht seit Jahren eng mit allen anderen Institutionen zusammen, die bei der Betreuung von Kindern nach einer Trennung der Eltern mitwirken. Gemeinsam streben Gericht, Jugendamt und andere Institutionen einvernehmliche Regelungen zwischen beiden Elternteilen an. Boykottiert ein Elternteil die Zusammenarbeit, so kann diese Person nach dem „Cochemer Modell“ nicht damit rechnen, dass ihr das Sorgerecht zugesprochen wird. Dieser Einigungsdruck zum Wohle der Kinder wirkt nach Erfahrung aller Beteiligten wahre Wunder.
Auch andere deutsche Gerichte haben sich diese Verfahrensweise bereits zu eigen gemacht. Wünschenswert wäre nach Ansicht des HU-Ortsverbands Marburg nun aber eine Verankerung dieses Vorgehens im bundesdeutschen Recht. Es müsste – so die Meinung der Marburger Bürgerrechtsorganisation – zum Regelfall werden, von dem nur bei begründeten Ausnahmen abgewichen wird.
Insbesondere bei den Familiengerichten der Neuen Bundesländer sieht der HU-Ortsvorsitzende Franz-Josef Hanke hier noch Handlungsbedarf. Er betreut den Fall eines Vaters, dem der Zugang zu seinem unehelichen Kind neun Monate lang vorenthalten wurde.
Diese Praxis verstößt nicht nur nach Auffassung der HU gegen europäisches und internationales Recht. Erst kürzlich hatte das Bundesverfassungsgericht dem Oberlandesgericht Naumburg die Zuständigkeit für einen ähnlich gelagerten Fall entzogen. Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier und zwei weitere Verfassungsrichter fanden dabei ungewöhnlich scharfe Worte: Sie bezweifelten, dass die betreffende Kammer überhaupt noch als „gesetzlicher Richter“ im Sinne des Grundgesetzes gelten könne.
Auch das Familiengericht Potsdam hatte im Fall des Marburger Prozessbeteiligten nicht gerade durch Respekt vor den Kinder- und Bürgerrechten geglänzt. Zum Wohle der Kinder hält die HU den uneingeschränkten Zugang beider Elternteile zu ihren Sprößlingen für unerlässlich. Das „Cochemer Modell“ könnte nach Hankes Einschätzung verhindern, dass elterlicher Streit auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird.
Dieses Vorgehen entspräche zudem demjenigen der Arbeitsgerichte, die zunächst auch über einen „Gütetermin“ versuchen, eine einvernehmliche Regelung zwischen den Prozessbeteiligten herbeizuführen. „Kinder“ – so meinte Hanke abschließend – „sollten dem Gesetzgeber mindestens ebenso wichtig sein wie Arbeitsplätze!“
Dragan Pavlovic