Wertvollere Menschen und weniger wertvollere Politik – Eine Werte-Debatte auf Leben und Tod

Welchen Wert hat ein Mensch? Welchen Wert hat das Leben? Angesichts der Bombardierung des Libanon drängen sich diese Fragen nun verstärkt in die Diskussion: Das Leben von Libanesen scheint weniger wert zu sein als das der Israeli, der Deutschen oder das eines US-Bürgers!
Als „lebensunwertes Leben“ hat die Nazi-Diktatur in den 30er und 40er Jahren Menschen mit Behinderungen abqualifiziert. Aber auch die Juden, Roma und Sinti, Homosexuelle oder die Völker Mittel- und Osteuropas betrachteten die Nationalsozialisten als „Untermenschen“. Sich selbst sahen sie als die „überlegene arische Herrenrasse“.
Nach dem Ende des nationalsozialistischen Schreckensregimes hat die Welt Besserung gelobt. Reumütig schworen die Deutschen: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“
Eine Weile hat es gedauert, bis die deutsche Bundeswehr wieder in Kampfeinsätze gezogen ist. Doch nun diskutieren einige, ob sie nicht vielleicht als „Friedenstruppe“ die Grenze zwischen Israel und dem Südlibanon sichern könnte.
Doch bevor es überhaupt zu einem Waffentstillstand kommen kann, müssen die Beteiligten erst einmal miteinander verhandeln. Ein schnelles Ende des Schreckens scheint derzeit dort noch nicht in Sicht zu sein.
Unbestätigten Berichten zufolge hat die US-Regierung dem israelischen Militär für sein Bombardement einen Blanko-Scheck ausgestellt, der den Israelis zwei Wochen Zeit einräumt, Kampfstellungen und Rückzugsgebiete der Hisbolla zu zerstören.
Die zwei Wochen sind nun fast um, doch von einem Ende des israelischen Terrors im Libanon ist noch nichts zu merken. Ganze Wohnviertel hat die israelische Armee in Schutt und Asche gelegt. Die wichtigsten Infrastruktur-Einrichtungen des Landes wie sein Flughafen, Straßen und Brücken, Tankstellen oder Kraftwerke sind zerstört.
Mindestens 373 Menschen sind bei den flächendeckenden Bombardements im Libanon bisher ums Leben gekommen. Die meisten davon sind unbeteiligte Zivilisten. Etwa ein Drittel der Toten und Verwundeten sind Kinder.
Raketen der Hisbolla haben in Israel 37 Menschenleben gefordert. Auch dort leben die Bürger inzwischen in Angst und Schrecken. All diese Bomben und Raketen treffen nicht den „Feind“, sondern vor allem wehrlose Unbeteiligte!
Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert verhält sich so wie ein Polizist, der bei einem Banküberfall ruft „Haltet den Dieb!“ und dann wahllos in den Schalterraum hineinschießt. Tödlich getroffen werden Kunden, Bankangestellte und zufällig vorübergehende Passanten.
Was Olmert und sein Kabinett befohlen haben, ist purer Terror. Diesem furchtbaren Treiben schauen die meisten europäischen Regierungen wie auch die Bush-Regierung seit zwei Wochen tatenlos zu. Immer wieder betonen sie gebetsmühlenartig, die Schuld an dieser Eskalation habe die Hisbolla. Die Entführung zweier israelischer Soldaten sei die „Ursache“. Das Bombardement des Libanon sei nur die „Antwort“ darauf. Israel habe ein „Recht auf Selbstverteidigung“.
Von „Selbstverteidigung“ kann aber bei diesem Krieg nicht die Rede sein. Vielmehr stärkt das israelische Bombardement die Hisbolla noch. Auf Jahre hinweg wird der – nach alledem berechtigte – Hass auf Israel das Verhältnis der Libanesen zu ihren südlichen Nachbarn prägen. Gleiches gilt ohnehin schon für das Verhältnis der Israeli zu den Palästinensern.
Außerdem riskiert Israel durch sein militärisches Vorgehen im Libanon einen Konflikt mit Syrien und dem Iran. Die dortigen Regierungen haben die Hisbolla bislang unterstützt. Vor allem ein Eintreten des Iran in den Krieg könnte zu ungeahnten Folgen führen.
Aber die US-Regierung hatte ja schon länger Pläne eines Kriegs gegen den Iran in ihrer Schublade. Vielleicht will sie diesen „Tagesordnungspunkt“ ja bei der sich nun bietenden Gelegenheit gleich mit „erledigen“?
Jedenfalls tun US-Präsident George W. Bush und seine Außenministerin Condoleezza Rice wenig, um dem Krieg ein schnelles Ende zu bereiten. Während israelisches Militär Streubomben auf den Libanon hinabwirft, bitten die Vereinten Nationen um 150 Millionen Euro für die Nahrungsmittelhilfe. Die Welt-Organisation möchte damit die Opfer dieses Krieges ernähren.
Nach dem Verursacher-Prinzip müsste dieses Geld eigentlich die israelische Regierung aufbringen. Und eigentlich müssten Olmert und seine Minister wegen Verstoßes gegen die Genfer Konventionen vor ein Internationales Gericht gestellt werden.
Gleich mitangeklagt werden müssten dort auch Scheich Hassan Nasrallah sowie die Verantwortlichen der Hisbolla und der palästinensischen Hamas. Auch sie treten das internationale Recht mit Füßen. Genauer gesagt: Sie beschießen es mit Raketen.
Es wäre an der Zeit, dass die Menschen auch in Marburg aufstünden und die Bundesregierung zur sofortigen diplomatischen Intervention drängten! Druck auf Israel und seine menschenfeindlichen Militärs müsste versuchen, einen sofortigen Stopp der Kriegshandlungen zu erreichen.
Krieg ist der schlimmste Verstoß gegen die Menschenrechte. Ein Leben zählt nichts im Krieg. Menschen sind nur entweder „Material“ zur Kriegsführung, mögliche „Kollateralschäden“ oder „Ziele“, die es zu vernichten gilt.
Ist dieser rücksichtslos utilitarische Umgang mit Menschen nicht aber auch im “friedlichen“ Alltag eine heute leider weit verbreitete Sichtweise? Betrachten nicht viele ihre Mitmenschen nur nach dem Gesichtspunkt: „Was kann er oder sie mir nutzen?“
Der uneingeschränkte Respekt vor jedem Menschen und seiner Würde ist die Voraussetzung für eine lebenswerte Welt. Dieser Respekt fragt nicht danach, ob jemand eine dunklere oder hellere Haut hat, Muslim, Jude, Christ, Hindu, Buddhist oder Atheist ist oder ob er in Asien lebt, in Afrika, Australien, Amerika oder Europa.
Menschlichkeit ist unteilbar. Wer etwas aus dem furchtbaren Faschismus gelernt hat, der verteidigt jetzt die Menschenrechte.

Franz-Josef Hanke

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