Es waren natürlich immer die anderen. Sündenböcke sind leicht gefunden. Und dann beginnen auch schon die Maßnahmen gegen sie: Nach der rassistischen Hetzjagd auf acht Inder im sächsischen Mügeln am Sonntag (19. August) werden jetzt wieder Forderungen nach einem Verbot der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) laut.
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck erhob diese Forderung gegenüber der Berliner Zeitung (BZ) schon am Donnerstag (23. August). Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach hingegen warnte am Freitag (24. August) im Deutschlandradio Kultur davor, dass auch dieses Verfahren ebenso scheitern könnte wie das NPD-Verbotsverfahren im März 2003. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht das Verfahren eingestellt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass mehrere Urheber volksverhetzender Schriften der NPD Agenten der Verfassungsschutz-Ämter des Bundes und der Länder gewesen waren.
Ohnehin stellt sich bei nüchterner Betrachtung die
Frage: Was hat der fremdenfeindliche Mügelner Mob mit der NPD zu tun? War das etwa ein Partei-Aufmarsch der reaktionären und fremdenfeindlichen Partei?
Nach allen bekannt gewordenen Berichten handelte es sich wohl eher um junge Männer, die mal eben „Inder klatschen“ wollten. Mit ihnen zog offenbar eine größere Gruppe von Gaffern, die sich an diesem Treiben wohl eher aufgegeilt haben, als einzugreifen.
Mit einem NPD-Verbot wird man solchen Hetzjagden also nicht beikommen können. Die fremdenfeindliche Gesinnung der Menschen kann kein Staat und kein Gericht verbieten. Diese obrigkeitsstaatliche Maßnahme ist deswegen wohl eher als wohlfeile Beruhigungspille gedacht, mit der man den alltäglichen Faschismus in deutschland unter den Teppich treusorgender Repression kehren möchte.
Notwendig ist stattdessen aber Aufklärungsarbeit über Geschichte und Hintergründe des Faschismus sowie ein vorbildlich demokratisches Verhalten der Politikerinnen und Politiker. Doch gerade daran hapert es in Deutschland.
Nicht nur die Droh-Kulissen des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble zur Legitimierung seines GeStaPo-ähnlichen Überwachungsstaats mit angeblichen islamistischen Attentaten stellen ein derartiges Vorbild sicherlich nicht dar. Auch die vorherrschende Wirtschaftspolitik nach dem Motto „Jeder für sich und gegen alle anderen“ und eine „Sozialpolitik“ im verächtlichen „Eigen-Initiativ“-Gleichklang dazu kkönnen kein demokratisches Gegenmodell zu neofaschistischen Bestrebungen sein. Im Gegenteil: Sie treiben den rechten Rattenfängern noch tüchtig Mitläufer in die Arme!
Die Verantwortlichen wollen all das jedoch nicht wahrhaben. Mit erschreckender Naivität versuchte der Mügelner Bürgermeister Gotthard Deuse, den fremdenfeindlichen „Vorfall“ zu verharmlosen: Bei den Tätern habe es sich nicht um Einheimische gehandelt. Eine Neo-Nazi-Szene gebe es in Mügeln nicht.
Angesichts eines Wähleranteils der NPD von zehn Prozent in Mügeln kann man dieses Verhalten nur entweder als dumm oder als dreist bewerten. Die „Mobile Opfer-Hilfe Sachsen“ berichtete zudem, dass der Mügelner jugendclub jahrelang als „rechter Treffpunkt“ bekannt gewesen sei.
Erschütternd am Fall Mügeln ist auch die Tatsache, dass mit Bundesmitteln finanzierte Aufklärungsprojekte bisher eher stiefmütterlich behandelt worden sind. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ist auch deswegen in die Kritik ihres sozialdemokratischen Kabinettskollegen Wolfgang Tiefensee geraten, weil ein Antrag des Kreises Torgau-Oschatz auf Mittel aus diesem Förder-Topf Abgelehnt worden war. In diesem Kreis liegt auch Mügeln.
Beteiligt an dieser ablehnenden Entscheidung war allerdings auch das Land Sachsen. Dessen CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt tat sich unmittelbar nach der Mügelner Hetzjagd durch stotternd abwiegelnde Äußerungen hervor. Man solle doch erst einmal das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen abwarten, bevor man den Angriff auf die acht Inder als „fremdenfeindlich“ einstufe.
Was von den Ermittlungen der sächsischen Polizei zu halten ist, belegt eine Stellungnahme der Polizeisprecherin Ilka Peter. Sie bestätigte „Ausländer-Raus“-Rufe des Mobs auch gegenüber der Polizei, hielt aber trotzdem ein ausländerfeindliches Motiv für nicht gesichert.
Zudem beklagten sich die indischen Opfer, sie seien auf dem Polizeirevier im benachbarten Oschatz „wie Hunde“ behandelt worden. Niemand habe sich um sie und ihre Verletzungen gekümmert. Erst als ein Übersetzer eintraf, habe die Polizei ihre medizinische Versorgung in die Wege geleitet und ihnen Getränke angeboten.
Sicherlich ist auch die sächsische Polizei heterogen. Immerhin hat sie die in eine Pizzeria geflüchteten Inder umgehend vor dem angreifenden Mob geschützt. Doch danach beteiligte sich die Polizeisprecherin an den Abwiegelungsversuchen. Sächsische Ermittler haben es bisher auch immer noch nicht geschafft, den „sächsischen Sumpf“ von Kinder-Prostitution, Bestechung und Machtmissbrauch aufzuklären.
Hätte nicht die indische Regierung auf ungewöhnlich deutliche Weise eingegriffen, hätte man die Mügelner Hetzjagd vielleicht als „selbst verschuldet“ ausgegeben. Was wollen auch fremdartige Inder in einem deutschen Bierzelt?
Nicht nur Milbradt liebäugelt allem Anschein nach mit reaktionären Wählern, die ein deutliches Wort gegen ausländerfeindliche Pogrome verprellen könnte. Auch der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch kocht seine Wahl-Nudeln auf fremdenfeindlichen Ressentiments. Während er als Ministerpräsident gerne staatstragend auftritt, findet er in Partei-Veranstaltungen zur begeisterung seiner Zuhörer auch schon mal ausländerkritische Worte.
Auch deswegen wäre es wichtig, der latenten Ausländerfeindlichkeit demokratischere Positionen entgegenzusetzen. Die hessische Justiz könnte damit direkt anfangen.
Immerhin hat ein Marburger Staatsanwalt einen Antifaschisten für den 20. April vorgeladen. Neben dem Termin zu „Führers Geburtstag“ war ein anderer Termin auf den 9. November – den Tag der Reichspogromnacht – festgelegt worden.
Das könnten natürlich dumme Zufälle sein. Kein Zufall ist aber bestimmt das Antwortshreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts Arnd Peter Köppen an den Gießener Rechtsanwalt Tronje Döhmer, in dem der LOStA die „Verbreitung derartiger Verdächtigungen“ für „nicht risikolos“ erklärt hat.
Einschüchterung von Anwälten und demokratisch gesinnten Bürgern und ähnlich skandalös undemokratische Verhaltensweisen herrschen also nicht nur im Osten deutschlands vor. Es gibt sie auch direkt vor unserer Haustür.
Im rheinland-pfälzischen Guntersblum wurden ebenfalls am Sonntag (19. August) zwei dunkelhäutige Männer nach dem Verlassen des „Kellerweg-Fests“ verfolgt und misshandelt . Mit einer Weinflasche schlugen drei Angreifer auf einen Sudanesen ein. Sein ägyptischer Begleiter wollte ihm zu Hilfe kommen und wurde mit einer abgeschnittenen Flasche verletzt.
Tröstlich ist in diesem Falle aber, dass beherzte Passanten und Bewohner eingriffen: Sie alarmierten die Polizei und versorgten die Verletzten. Damit zeigten sie mutig, dass man in Guntersblum derartige Aktionen gegen Ausländer nicht duldet.
Mut ist immer eine Frage der Persönlichkeit. Langmut gegen faschistoide Umtriebe ist aber immer gefährlich. Wehren wir uns also mit friedlichen Mitteln dagegen!
Franz-Josef Hanke