Trojanisches Pferd vor dem Bundesverfassungsgericht – Eine Aktion gegen Online-Durchsuchungen

Nur wenige Sekunden lang war es im Fernsehen zu sehen. Viele Menschen hat es dennoch zum Lachen gebracht: Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stand am Mittwoch (10. Oktober) ein hölzernes Pferd. Es war in den Farben der Bundesflagge schwarz, rot und gold gestreift.

Mit diesem „Bundestrojaner“ wollten Aktivisten auf die Problematik hinweisen, die drinnen im Gericht verhandelt wurde. Dort erörterten die obersten deutschen Richter mit den Antragstellern und -gegnern die Verfassungsklage gegen die neuen Befugnisse des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Verfassungsschutz zur Durchführung heimlicher Online-Durchsuchungen.

Den Ausgang dieses Verfahrens möchte die Bundesregierung abwarten, bevor auch sie das Bundeskriminalamt (BKA) und die Geheimdienste zu Online-Durchsuchungen ermächtigt. Mit einem Richterspruch aus Karlsruhe ist aber frühestens im Januar zu rechnen.

Derweil lässt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Computer von vermeintlich Verdächtigen „notfalls“ eben durch US-amerikanische Dienste ausspähen. BKA-Präsident Jörg Zierke wird unterdessen nicht müde, die angebliche Harmlosigkeit einer gesetzlichen Regelung der staatlichen Schnüffelei auf privaten Rechnern zu beteuern.

In Karlsruhe hat er sich jetzt für eine Parlamentskommission ausgesprochen, die derartige Trojaner-Angriffe überwachen soll. Bei einer Podiumsdiskussion im Vorfeld der Delegiertenkonferenz der Humanistischen Union (HU) hatte er am Freitag (21. September) in Hannover noch eine richterliche Anordnung derartiger Eingriffe in die Freiheitsrechte für ausreichend erklärt.

Die Durchführung von Online-Durchsuchungen sei aber unerlässlich, hatte er hier wie dort gefordert. Nur so könne der Staat drohende Terror-Anschläge verhindern.

Drohenden Staatsterror gegen politisch aktive Menschen verhindern wollen hingegen die fünf Antragsteller der anhängigen Verfassungsklage. Unter ihnen befindet sich der ehemalige Bundesjustizminister Gerhard-Rudolf Baum ebenso wie der stellvertretende HU-Bundesvorsitzende Fredrik Roggan.

Baum hat den privaten PC im Vorfeld des Verfahrens als „ausgelagertes Gehirn“ bezeichnet. Das heimliche Eindringen staatlicher Stellen auf den Rechner mit Hilfe von Hacker-Programmen betrachtet er als schwerwiegenden Angriff auf die Meinungs- und Gedankenfreiheit. Denn ein wirksamer Schutz der persönlichen Intimsphäre sei dabei kaum möglich.

Und so kann man das „Trojanische Pferd“ vor dem Bundesverfassungsgericht auch als Symbol für die Doppelbödigkeit der Politik verstehen: Argumentiert wird bei der Einführung heimlicher Online-Durchsuchungen auf Computern mit der notwendigen Abwehr terroristischer Anschläge oder der Strafverfolgung von Kinderpornographie, aber tatsächlich wirken wird diese Maßnahme einschüchternd auf politisch aktive freiheitliche Geister.

Freiheit ist die unabdingbare Geschäftsgrundlage jeder Demokratie. Der Staat muss und darf nicht alles wissen und überall herumschnüffeln.

Gerade erst feiert Deutschland die Vergabe zweier Nobelpreise an deutsche Wissenschaftler. Hätten sie ihre grundlegenden Entdeckungen auch machen können, wenn damals schon heimliche Hacker-Angriffe auf ihre Computer gedroht hätten?

Franz-Josef Hanke

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