Für eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk hat sich die Humanistische Union (HU) in Marburg am Donnerstag (1. Juli) ausgesprochen. Nach Einschätzung des HU-Ortsverbands Marburg wäre dann am Mittwoch (30. Juni) nicht Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt worden, sondern Joachim Gauck.
Als „Belastung“ bei der Ausübung seines neuen Amts betrachtet die Bürgerrechtsorganisation das parteipolitische Geschacher um Wulffs Kandidatur sowie die Einforderung der „Fraktionsdisziplin“ bei der Bundesversammlung. Die HU ist sich sicher, dass so etwas bei einer Volkswahl nicht möglich wäre.
„Der Bundespräsident sollte Repräsentant des Staates und damit aller Bürgerinnen und Bürger sein“, erklärte Franz-Josef Hanke. Nach Ansicht des 2. Vorsitzenden des HU-Ortsverbands Marburg verbiete sich damit von vornherein jede Kandidatur für eine Partei. Vielmehr sollten Persönlichkeiten zur Wahl antreten, die parteiübergreifend Respekt genießen wie Gauck.
Grundsätzlich setzt sich die HU für mehr Direkte Demokratie ein. Neben Volksbegehren, Volksentscheiden und –abstimmungen zählt dazu auch die Berufung des Bundespräsidenten durch die Stimmberechtigten wie beispielsweise in Österreich.
„Die Parteien haben sich diesen Staat unter den Nagel gerissen“, beklagt Hanke. „Wir Bürger müssen ihn uns zurückholen, denn er gehört uns!“
Als „Ausdruck unbelehrbarer Rückständigkeit“ betrachtet Hanke das Abstimmungsverhalten der Linken und ihre Kritik an Gauck als „Hexenjäger“. Damit bestätige die Linke mehrheitlich den Vorwurf, sie sei immer noch in ihrer Vergangenheit als „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“ (SED) verhaftet. „Das war ein glatter Schuss ins Knie“, konstatiert Hanke.
Der Marburger Bürgerrechtler bedauert den vorzeitigen Rückzug von Horst Köhler aus dem Amt des Bundespräsidenten: „Bei seinem Besuch in Marburg hatte er mir versprochen, bald wiederzukommen. Das kann er jetzt nicht mehr mit der gleichen Autorität ausfüllen wie als Bundespräsident.“
Von Köhlers Nachfolger erwartet Hanke das Bemühen um eine „möglichst große Distanz zum Parteiengeschachere“ und den Einsatz der Autorität des Amtes zugunsten der Bevölkerung. „Vor allem bei den Bürgerrechten und im sozialen Bereich muss Wulff noch stark zulegen“, wünschte sich Hanke.
Doch fordert der Marburger Bürgerrechtler dazu auf, dem neuen Bundespräsidenten eine Chance zu geben zur Entwicklung eines demokratischen Amtsverständnisses. Bisher habe sich bei den meisten Bundespräsidenten im Laufe ihrer Amtszeit die alte Erkenntnis bewahrheitet: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“
Franz-Josef Hanke
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