pm 8/20: Haft ist nicht verhältnismäßig für Abseilaktionen

Als unverhältnismäßig kritisiert die Humanistische Union (HU) die Inhaftierung von sieben Klimaschützern. Sie hatten sich am Montagmorgen von Autobahnbrücken über die A3, die A5 und die A661 abgeseilt.
Das Amtsgericht Frankfurt hat am Dienstagabend für mehrere Personen Untersuchungshaft verhängt. Sie hatten sich am Tag zuvor an drei parallel stattfindenden Aktivisten für eine konsequente Verkehrswende und gegen den Weiterbau der Autobahn A49 beteiligt. Schon die vorangegangene Nacht mussten sie deshalb im Polizeigewahrsam verbringen.
„Die Untersuchungshaft steht in eklatantem Gegensatz zur Blockade-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“, erklärte Rechtsanwalt Tronje Döhmer. Der 2. Vorsitzende der HU Marburg vertritt Aktonisten der Klimaschutzbewegung vor Gericht. Wiederholt musste er das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anrufen, um verfassungswidrige Demonstrationsverbote durch den Gießener Regierungspräsidenten zu kippen.
„Das Demonstrationsrecht umfasst auch gewaltfreie Blockadeaktionen“, erläuterte Döhmer. „Solche Aktionen erfüllen nach ständiger rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichst nicht den Straftatbestand der Nötigung und stellen somit keinen Haftgrund dar.“
Mit ihren Aktionen wollten die Klimaschützer nicht nur gegen die Rodung des Herrenwalds, des Maulbacher Walds und des Dannenröder Forsts zugunsten einer – ihrer Ansicht nach unnötigen und schädlichen – Autobahn protestieren, sondern auch auf die tödlichen Folgen des massenhaften Individualverkehrs mit Autos hinweisen. Sie sehen ihre Aktion als Mahnung, eine klimafreundliche Verkehrspolitik ohne „Menschenopfer“ einzuleiten.
„Wie auch immer man zu den Aktionen auf der Autobahn stehen mag, sollte man doch in jedem Fall das Recht der Beteiligten respektieren, ihren Protest öffentlichkeitswirksam auszudrücken“, erklärte der Marburger HU-Regionalvorsitzende Franz-Josef Hanke. Eine Inhaftierung betrachtet der Bürgerrechtler als Ausdruck von Schwäche gegenüber den Argumenten der Aktivisten. Eines demokratischen Staats sei die Inhaftierung für demonstrative Meinungsbekundungen absolut unwürdig, findet Hanke, „selbst wenn ihre Form spektakulär erscheinen mag“.
„Im Notfall können Parlamente schnell entscheiden“, erläuterte der Marburger HU-Regionalvorsitzende. „Was bei Kriegseinsätzen möglich und verfassungsrechtlich geboten ist, sollte auch bei der Einschränkung von Freiheitsrechten gelten.Kurzfristig erlassene Verwaltungsverfügungen sollten immer auf weniger als einen Monat befristet sein.“
Abschließend fordert Hanke eine Pandemie-Pause bei sogenannten „Sicherheitsgesetzen“: „Wer jetzt dem Verfassungsschutz, dem BKA oder dem MAD mehr Befugnisse einräumt, der gießt damit Öl auf die Mühlen der Corona-Leugner und Verschwörungsmythen“, erläuterte er. „Alle anderen Aktivitäten des Staates müssen in dieser Situation hinter der dringliche Aufgabe zurückstehen, die Menschen vor einer weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie zu schützen.“