Eine breite gesellschaftliche Debatte über Demokratie in der Pandemie fordert die Humanistische Union (HU). Mögliche Maßnahmen zum Infektionsschutz sollten nach Ansicht der HU Marburg im Deutschen Bundestag, den Landtagen und Kommunalparlamenten diskutiert werden.
„Wirksamen Schutz vor einer weiteren Verbreitung von Corona erreichen wir nur in einer gemeinschaftlichen Anstrengung der gesamten Bevölkerung“, erklärte der Marburger HU-Regionalvorsitzende Franz-Josef Hanke. „Dafür brauchen die Menschen sowohl verlässliche Informationen aus vertrauenswürdigen Quellen als auch die Einsicht in die Wirksamkeit der jeweiligen Maßnahmen.“
Darum sollte nach Auffassung der Humanistischen Union Marburg über jede geplante Maßnahme öffentlich diskutiert werden. Dabei sei sowohl ihre erwünschte Wirkung als auch möglicherweise unerwünschte Nebenwirkungen zu erörtern. Diese Debatten müssten in den Parlamenten auf allen Ebenen geführt werden, auf denen Regelungen zur Pandemiebekämpfung getroffen werden.
Allerdings sollte das nach Hankes Auffassung einmalig geschehen, um einen Katalog möglicher Maßnahmen einem gestuften Schutzkonzept gegenüberzustellen, das dann von den jeweils Zuständigen auf dem Verordnungsweg je nach Lage umgesetzt wird. Bewusst ist ihm, dass Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung selbstverständlich auch zu den aufgaben der Politik gehören und nur dann unzulässig sind, wenn sie über das verfassungsrechtlich gebotene Maß hinaus gehen und nicht verhältnismäßig, geeignet und angemessen sind. Gerade zu Zeiten extrem steigender Fallzahlen könnten vorübergehende, punktuelle und regionale, zeitlich begrenzte und überprüfbare Einschränkungen sogar geboten sein.
„Gerade bei vernünftigen Menschen dürfte derzeit sehr viel Verständnis für gewisse Einschränkungen herrschen, die auch schnell und nicht erst nach dritter Lesung und Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten sollten“, bemerkte der hessische HU-Landessprecher Jens Bertrams. Wichtig sei dabei das Rechtstaatsprinzip und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.
„Transparenz ist unerlässlich für die Demokratie“, erklärte Hanke. Die Verfügung von Grundrechtseinschränkungen durch Landesregierungen, Kreisausschüsse oder Stadtverwaltungen seien nicht nur intransparent, sondern auf längere Sicht auch ein gravierender Verstoß gegen den demokratischen Grundsazt der Gewaltentrennung. Auf Dauer sei die Entmachtung der Parlamente durch die Regierung nicht hinnehmbar.
„Dieses Vorgehen könnte einen gefährlichen Präzedenzfall für künftige Krisen schaffen“, warnt Hanke. Die nun einsetzende Diskussion über die Rolle des Parlaments sei aber auch wichtig, um die längst alltägliche Aushebelung der Gewaltenteilung durch den verfassungsrechtlich fragwürdigen „Fraktionszwang“ und die „Koalitionsdisziplin“ zu problematisieren.“‚
„Im Notfall können Parlamente schnell entscheiden“, erläuterte der Marburger HU-Regionalvorsitzende. „Was bei Kriegseinsätzen möglich und verfassungsrechtlich geboten ist, sollte auch bei der Einschränkung von Freiheitsrechten gelten.Kurzfristig erlassene Verwaltungsverfügungen sollten immer auf weniger als einen Monat befristet sein.“
Abschließend fordert Hanke eine Pandemie-Pause bei sogenannten „Sicherheitsgesetzen“: „Wer jetzt dem Verfassungsschutz, dem BKA oder dem MAD mehr Befugnisse einräumt, der gießt damit Öl auf die Mühlen der Corona-Leugner und Verschwörungsmythen“, erläuterte er. „Alle anderen Aktivitäten des Staates müssen in dieser Situation hinter der dringliche Aufgabe zurückstehen, die Menschen vor einer weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie zu schützen.“
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