pm 2/93: Staat muss Behinderte besonders schützen – HU fordert Diskriminierungsverbot in der Verfassung

Am 25. März entscheidet die gemeinsame Verfassungskommission des Bundestages und des Bundesrates über die Neuformulierung des Artikels 3 ihres Verfassungsentwurfes, der im Sommer von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden soll. Hier stehen vor allem die Forderung nach einer besseren Verankerung der Frauengleichstellung und nach einem grundgesetzlich garantierten Diskriminierungsverbot für Behinderte auf der Tagesordnung.
Der Ortsverband Marburg der Humanistischen Union hat die Mitglieder der Verfassungskommission heute in einem Schreiben aufgefordert, ein Verbot der Benachteiligung Behinderter in ihren Verfassungsentwurf aufzunehmen: An die Mitglieder der
Gemeinsamen Verfassungskommission
von Bundestag und Bundesrat
5300 Bonn
Marburg, 20.03.1993
Sehr geehrte Damen und Herren,
Behinderte werden im Arbeitsleben und im Alltag leider immer noch benachteiligt. Die größten Probleme haben Behinderte meist nicht aufgrund ihrer gesundheitlichen Disposition, sondern wegen fehlender Rücksichtnahme und Unterstützung durch die Gesellschaft.
Der Ortsverband Marburg der Humanistischen Union fordert die Mitglieder der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat auf, in ihrem Grundgesetzentwurf ein Diskriminierungsverbot für Behinderte aufzunehmen.
Um die Möglichkeit offenzuhalten, Behinderten zum Ausgleich von Benachteiligungen in anderen Lebensbereichen bei der Einstellung, beim Besuch von Behörden oder auch nur finanziell auszugleichen, darf mit dem Diskriminierungsverbot nicht zugleich ein Bevorzugungsverbot ausgesprochen werden. Vielmehr muß der Gesetzgeber verpflichtet werden, Behinderten einen besonderen Schutz zu gewähren.
Das behindertenfeindliche Urteil eines Flensburger Gerichtes wie auch Angriffe auf behinderte Mitbürger sind für die HU ein Alarmsignal, das die Politiker wachrütteln sollte: Eine Gesellschaft ist nur so menschlich, wie sie mit dem Schwächsten in ihrer Mitte umgeht. Ein Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechtes, des Gesundheitszustandes oder der religiösen und politischen Weltanschauung könnte der richtige Einsatz für eine humanere und fairere Gestaltung der Gesellschaft sein, soweit die Politik hierauf überhaupt Einfluß hat.
Durch eine Anti-Diskriminierungsklausel im Grundgesetz kann nach Ansicht des HU-Ortsverbandes Marburg die Menschenwürde aller Bürgerinnen und Bürger wirksam geschützt werden. Franz-Josef Hanke

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