Ihr 50-jähriges Bestehen feiert die Humanistische Union (HU) mit einem Festakt am Samstag (24. September) in der Akademie der Künste zu Berlin. Im Vorfeld dieser Veranstaltung hat auch der HU-Regionalverband Marburg-Mittelhessen einen Rückblick auf seine eigene Geschichte geworfen.
Gegründet wurde die HU am 26. August 1961 in München. Bereits in den frühen 60er Jahren gab es auch in Marburg eine aktive Gruppe der Bürgerrechtsorganisation.
Themen waren damals die Befreiung von einer einengenden Sexualmoral, das Eintreten für Meinungs- und Religionsfreiheit sowie der Kampf gegen Einschränkungen demokratischer Rechte durch die Notstandsgesetze. Mit ihrem Einsatz gegen eine Kriminalisierung der Abtreibung und für eine staatliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften hat die HU nach jahrelangen Diskussionen schließlich eine Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung überzeugen können.
„Schneller ging das mit dem kostenlosen Zugang zur Schul- und Hochschulbildung in Hessen“, erinnert sich der Marburger HU-Vorsitzende Franz-Josef Hanke. „Letztlich haben Proteste breiter Bevölkerungskreise die neoliberalen Pekuniaristen zum Einknicken gezwungen.“
Mehr als die Hälfte der Marburger HU-Geschichte hat Hanke aktiv mitgestaltet. Als Student schloss er sich 1982 der Bürgerrechtsorganisation an. Seit 1987 gehört er – größtenteils als Vorsitzender – ununterbrochen dem Vorstand der Marburger Regionalgliederung an.
„Wichtige Themen waren die Volkszählungen 1983 und 1987“, erinnert sich Hanke an seine Anfangsjahre in der HU. Mit großem Erfolg habe die HU Marburg seinerzeit in der „Marburger Initiative gegen den Überwachungsstaat“ (MIgüSt) mitgearbeitet. „Würden wir heute eine so breite Zustimmung zu unserer Forderung nach einem strengen Datenschutz bekommen, dann sähe es in Deutschland anders aus.“ Das klassische HU-Thema „Datenschutz“ hat der damalige HU-Ortsvorsitzende Dragan Pavlovic zuletzt 2009 mit einer erfolgreichen Klage gegen die automatisierte Erfassung von Autokennzeichen durch die hessische Polizei vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten.
„In den späten 80er Jahren hat die HU die Initiative Fra-Gen mitgegründet, die die Gefahren der Gentechnik problematisierte“, berichtet Hanke weiter. „Auch wenn es in Marburg heute mehr Genlabors gibt als Kneipen, ist die skeptische Haltung der Menschen gegenüber Gen-Nahrung doch zumindest ein gewisser Erfolg dieser Arbeit.“
Die Teilnahme an Aktivitäten gegen die Nutzung der Atomkraft steht auch schon seit 30 Jahren auf dem Programm der mittelhessischen Bürgerrechtler. Ebenso haben sie sich zwischen 1981 und 1984 an der Friedensbewegung gegen den sogenannten „Nachrüstungsbeschluss“ der NATO beteiligt. Auch beim Kosowo-Krieg, beim Irak-Krieg und dem Krieg in Afghanistan sowie zuletzt in Libyen hat die Marburger HU eine pazifistische Grundhaltung eingenommen. Bei einer Veranstaltung mit dem Journalisten Eckart Spoo thematisierte die Bürgerrechtsorganisation am 15. Juni 2011 die geringe Verbreitung einer ehrlichen und unvoreingenommenen Kriegsberichterstattung.
Aktivitäten gegen Neofaschismus hat die HU im Jubiläumsjahr gleich mehrfach unternommen, wobei sie öfters ein entschiedeneres Eintreten staatlicher Organe für die Demokratie vermisst hat. Die Palette des HU-Engagements reichte hier von einer Podiumsdiskussion am 26. Januar 2011 über die Beteiligung an der Anti-Nazi-Demonstration „Gießen bleibt nazifrei“ am 16. Juli 2011 bis hin zu einem Informationsstand beim Festival des Vereins“Grätsche gegen Rechtsaußen“ am 6. August 2011 in Echzell.
„Seit mehr als zehn Jahren steht die Soziale Gerechtigkeit im Mittelpunkt unserer Aktivitäten“, schloss Hanke die Aufzählung der Arbeitsschwerpunkte ab. „Mit der Verleihung des Marburger Leuchtfeuers haben wir seit 2005 jedes Jahr einen ganz besonderen Höhepunkt in unserem Jahreskalender.“
Für die Zukunft hoffen die Marburger Bürgerrechtler auf eine stärkere Unterstützung. Vor allem die ständig zunehmende Einschränkung von Bürgerrechten mit der Rechtfertigung einer angeblichen Bedrohungslage durch Terroristen bedroht ihrer Auffassung nach die demokratischen Grundfesten des freiheitlichen Rechtsstaats.
„Grund- und Freiheitsrechte müssen immer wieder von Neuem erkämpft werden“, warnte Hanke vor einem Rückzug der Menschen aufgrund von Politik- oder Politikerverdrossenheit. „Die Demokratie lebt vom ständigen Ringen um die Verwirklichung möglichst vieler Gestaltungsrechte für das Volk. Das hat die Senatswahl in Berlin erst am vergangenen Wochenende deutlich gezeigt.“
Dragan Pavlovic