Kommen Sie da runter! – „Eichhörnchen“ Cecile Lecomte stellte Buch über Kletteraktionen vor

„Oben bleiben!“, lautet ein Slogan der S 21-Gegner beim Protest gegen die Verlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs in den Untergrund. Für Cecile Lecomte hat diese Parole noch eine ganz andere Bedeutung.

Die Umweltaktivistin stellte am Dienstag (27. Mai) im Käte- Dinnebier-Saal des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) ihr Buch „Kommen Sie da runter!“ vor. Wegen ihrer medienwirksamen Kletteraktionen ist die 32-jährige Französin auch als „Eichhörnchen“ bekannt.

Gegen Castor-Transporte, den Anbau von Genmais oder die unsaubere Nutzung von Energieressourcen äußert Lecomte ihren Protest „in der dritten Dimension“. Der Staatsmacht ist sie durch ihre luftigen Aktionen ein Dorn im Auge.

Polizei und Justiz sehen nicht gern, wenn Lecomte und ihre Mitaktivisten auf Brücken, Bäume und Laternenmasten klettern, um dort Protestbanner gegen den Atomstaat und seine repressiven Maßnahmen zu platzieren. Dabei wird Lecomte immer wieder als gefährlich eingestuft. Sie sei eine Gefahr für das öffentliche Interesse oder das, was auch immer als solches ausgelegt wird.

Gefährlich wirkt sie nicht. Im Gegenteil berichtete sie sehr humorvoll und aus erster Hand über ihre Protestaktionen und die damit verbundenen staatlichen Gegenmaßnahmen.

Sie las ausgewählte Kapitel aus ihrem Buch. Dazu zeigte sie eindrucksvolle Bilder und Videos von ihren Aktionen.

Zu Recht fragte sie, wer den eigentlich eher eine Gefahr darstellt. Ist nicht ein Staat gefährlich, der Atommüll auf unsichere Weise entsorgt und Experimente mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln zulässt, oder sind etwa Menschen gefährlich, die auf Bäume klettern?

Lecomte ist unbequem und frech. „Einfach frech sein!“, forderte sie auch von den Besuchern der Lesung.

Beim Protest seien der Fantasie keine Grenzen gesetzt. „Warum immer alles in der Horizontale machen, wenn man auch in die Vertikale gehen kann?“, fragte sie.

In ihrem Buch berichtet Lecomte auf sehr witzige und bissige Weise von ihren vertikalen Protestaktionen. Es erzählt auch davon, wie sich der Staat und seine ausführenden Organe nicht selten als Opfer des Protests stilisieren und dabei das Recht so verbiegen, wie es gerade passt.

Lecomte arbeitete in Deutschland als Lehrerin. Wegen ihrer politischen Aktionen und entsprechender Anfragen des Verfassungsschutzes wurde sie aus diesem Job jedoch verdrängt.

Sie nimmt es mit Galgenhumor, sammelt ihre Anklageschriften oder tanzt und singt auch gern mal im Innenhof einer Polizeistation. Bei allem Witz und der teilweisen Absurdität der geschilderten Ereignisse geht es aber um eine ernste Sache.

Auch Lecomte wurde an manchen Stellen ernst. Wenn sie vom Tod eines Mitaktivisten berichtet oder die Zustände im Braunschweiger Polizeigewahrsam schildert, gibt es nichts zu Schmunzeln. Es ist erschreckend, mit welcher Selbstsicherheit und Gleichgültigkeit die Staatsorgane hier ihre repressiven und inhumanen Methoden präsentieren.

Auf die Frage, ob es nicht manchmal frustrierend sei, immer wieder gegen die staatlichen Mühlen anzulaufen, antwortete Lecomte, dass die Wirkung ihrer Aktionen vielleicht nicht immer gleich zu spüren sei, Widerstand sich aber immer lohne. Die Leute aufmerksam zu machen, zum Nachdenken und Mitmachen zu bewegen, sei ihre Aufgabe.

Solidarität ist für Lecomte nicht nur ein Wort, sondern eine Waffe. Solidarisch seien auch diejenigen, die sich auf ihre Mailingliste eintragen, ihre Aktionen unterstützen und im Ernstfall ebenso unbequem und frech sind wie das „Eichhörnchen“.

Kommt Lecomte in die Nähe eines Kraftwerks oder eines ähnlich interessanten Ortes, wird sie häufig präventiv festgenommen. Die Begründung dafür ist oft, dass sie in der Vergangenheit schon Aktionen gegen Atompolitik durchgeführt habe und eine Wiederholungstäterin sei.

„Wiederholungsgefahr besteht auf jeden Fall“, stellte ihr Rechtsanwalt Tronje Döhmer fest. „Und das ist auch gut so.“

Dieser ermutigende Abend motivierte dazu, weiterhin an Utopien zu glauben und sie vielleicht auch ein Stück weit zu leben. Das „Eichhörnchen“ ermutigten die Anwesenden einhellig, weiterzumachen: „Oben bleiben!“

Benjamin Habeth

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