Bei der Suche nach der Biographie des Björn Werminghaus stößt der geübte Internetnutzer zunächst auf Schwierigkeiten. Die Deutsche Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund (DBB) unterhält für das Land Hessen eine Internetseite. Dort gab es eine Kontaktseite für Werminghaus mit einigen Hinweisen (… Kontaktbild. Beisitzer Presse und Öffentlichkeitsarbeit. Adresse: PD Hochtaunus, RKI (OPE). Telefon: … . Telefax: … ). Wer die Seite www.dpolg-hessen.de/dpolg-westhessen/dpolg-hochtaunus/42-bjwerminghaus.html aufruft, wird allerdings nicht belohnt. Der Landesverband Hessen der „Gewerkschaft“ der Polizei – oder wer auch immer sonst – zog es vor, die angebotenen Informationen über ihren „Genossen“ aus dem Netz zu nehmen. Es erscheint nur noch der Hinweis „Fehler – Kontakt nicht gefunden!“ (anders ist es allerdings unter http://www.dpolg-hessen.de/landesvorstand/11-bjwerminghaus.html.
Es gab einen Twitterer Björn Werminghaus. Doch damit ist es auch vorbei. Sein „Account“ soll inzwischen vom Netz genommen worden sein.
Immerhin konnte ermittelt werden, dass Werminghaus im Zusammenhang mit der Entlassung des Hessischen Landespolizeipräsidenten Norbert Nedela in Erscheinung trat. So soll Nedela in der Vergangenheit heftig wegen seines autoritären Führungsstils aufgefallen sein. „Keine andere Meinung zählte, nur seine“, soll Werminghaus dazu als stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft Hessen, dem Darmstädter ECHO am 02.11.2010 gesagt haben (http://www.echo-online.de/nachrichten/landespolitik/Innenminister-entlaesst-Polizeichef-Norbert-Nedela;art175,1345989).
Bei der „Jungen Polizei“ gibt es Björn Werminghaus noch. Auf dieser Seite erfährt der Leser, dass er „seit vielen Jahren dieses DPolG-Highlight (gemeint ist die „Original Blaullichtparty“) in Frankfurt organisiert. Dafür wird er von der „Jungen Polizei“ noch aktuell „gefeiert“ (https://www.jungepolizei.de/aktuelles-hessen?start=10).
Als Vorbild für BeamtInnen und Polizisten nahm Berminghaus am Landesgewerkschaftstag, der am 21./22. August 2013 stattfand, teil. Dort ist der Landesvorstand des „dbb Hessen“ neu gewählt worden. Er gehört dem Landesvorstand als Beisitzer an (http://www.dbsh-hessen.de/gewerkschaft.html).
Offenbar ist der geschätzte „Kollege“ Mitglied der „DPolG Hochtaunus“. Diese Untergliederung verfügt ersichtlich über ausreichende Mittel, um zum Beispiel die „Stiftung der DPolG auf dem Bundeskongress in Berlin“ mit Spenden zu unterstützen (http://www.dpolg.de/upload/pdf/PS-5-2011.pdf mit einem Bild des Genossen Björn Werminghaus im Mittelpunkt).
Im Juli 2009 beschwerte sich der geschätzte Polizeioffizier klagend darüber, dass sich die Ordnungshüter „immer mehr zur Event-Polizei“ entwickeln würden. Die Kontrolle der 6.000 Gäste der Riesen-Disco „Summer-Break“ im Landratsamt habe über 200 Beamte beschäftigt. Allein die Lohnkosten hätten bei 40.000 Euro gelegen. Der Summer-Break und andere Großveranstaltungen bänden so viel Personal, „dass bei einem Einbruchsalarm keine Streife zur Verfügung steht oder ein Unfall nur am Telefon aufgenommen werden kann.“ (http://www.fr-online.de/bad-homburg/bad-homburg-aus-fuer-den-summer-break,1472864,2974274.html). Solcherlei Beschwerden waren im Zusammenhang mit dem Aufgebot von ca. 5000 Beamten zum Schutz von ca. 100 Neofaschisten am 16.07.2011 nicht zu finden (Kosten nach der Lesart des Funktionärs = € 1.000.000,00).
Wenngleich viel Aussagekräftiges im Internet über Björn Werminghaus nicht zu finden war, lässt sich doch resümieren, dass es sich um einen bundesweit geschätzten Funktionär und Vertreter der deutschen Polizei handelt, der u.a. einen nicht unerheblichen Einfluss auf junge PolizistInnen hat.
Nun tauchte die Frage auf, welch Geistes Kind dieser Mensch mit nicht unerheblichen Einfluss innerhalb und außerhalb seiner Standesorganisationen sein könnte. Die Antwort könnte in den Reaktionen des Funktionärs auf den Verlauf der Versammlungen am 21.12.2013 in Hamburg gesehen werden. An diesem Tag sollte ursprünglich die Demonstration unter dem Motto “Rote Flora verteidigen – Esso Häuser durchsetzen! Gegen rassistische Zustände – Bleiberecht für alle!” stattfinden. Unstreitig ist, dass die Versammlung und die Kundgebung nur einen kurzen Verlauf nahmen. Ebenso unstreitig dürfte sein, dass die Polizei den Demonstrationszug unmittelbar nach dem Start stoppte und schließlich die Versammlung für aufgelöst erklärte (http://www.rechtaufstadt.net/recht-auf-stadt/gegen-die-putinisierung-der-hamburger-politik).
Streitig ist der Grund für dieses Vorgehen. Eben so strittig sind die tatsächlichen Hintergründe des weiteren polizeilichen Vorgehens, die schließlich zu mehrstündigen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und Polizeikräften in der Hamburger Innenstadt führten.
In der Folge berichteten die Medien – wie üblich – unterschiedlich über den Verlauf der Ereignisse. In der Berliner Tageszeitung taz hieß es dazu: „Ohne Vorwarnung gingen die Beamten mit Schlagstöcken und Faustschlägen gegen die Demonstranten vor. Zur Unterstützung setzten sie Wasserwerfer ein. Der Auftakt einer Eskalation“ (http://www.taz.de/!129830/).
Es handelt sich nicht um die einzige Tageszeitung, die sich kritisch mit der gewählten Polizeistrategie befasste. Nach der Wahrheit zu fragen, erscheint in Zeiten, in denen es allein auf die propagandistische Deutungshoheit ankommt, eine Narretei. Jedenfalls gab es eine Reaktion des Herrn Björn Werminghaus auf die öffentlich geäußerte Kritik am Vorgehen der Polizeikräfte gegen die TeilnehmerInnen der Versammlung. Er meinte, das Verhalten der Polizei könne nicht beanstandet werden. Über sein inzwischen gelöschtes Twitterkonto verbreitete er seine Einschätzung: „ … sind ja auch keine Demonstranten, sondern gewalttätiger Abschaum …“ (http://www.taz.de/!129907/). Dem war angeblich vorausgegangen, dass ein Nutzer die „renommierten Medien“ kritisiert hatte, weil nur über die Anzahl der verletzten Polizisten berichtet worden sei.
Die Interpretation des Verhaltens unseres beschriebenen und sehr geschätzten Herrn Polizeifunktionärs dürfte nicht schwer fallen. Danach ist er der Ansicht, dass renommierte Medien nicht über die Anzahl verletzter DemonstrantInnen zu berichten hätten, weil es sich nicht um VersammlungsteilnehmerInnen, sondern um „gewalttätigen Abschaum“ handele.
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass Herr Björn Werminghaus das Wort als abwertenden Begriff verwandte. Er brachte damit zum Ausdruck, dass am 21.12.2013 in Hamburg verletzte VersammlungsteilnehmerInnen als minderwertiger Teil von einer Gesamtheit von Menschen zu betrachten seien. Synonyme für das Wort Abschaum sind Asoziale, Gezücht, Schmutz, Gesindel, Schleim, Lumpengesindel, Pöbel und Mob (http://synonyme.woxikon.de/synonyme/abschaum.php).
Historisch gesehen ist die Verwendung des Worts „Abschaum“ sehr eng mit der Rassenideologie der Hitler-Faschisten verbunden: „… Rasseideologen – wie beispielsweise Robert Ritter, Hans F. K. Günther und Sophie Ehrhardt – postulierten einen so genannten ‚volkshygienischen‘ Standpunkt, mit dem zahlreiche Menschen als ‚unerwünscht‘ und ‚asozialer Abschaum‘ gebrandmarkt wurden. Dazu zählten vor allem soziale Minderheiten wie Obdachlose, Wanderarbeiter, ’selbstverschuldete Fürsorgeempfänger‘, Bettler, Landstreicher, kinderreiche Familien aus den sozialen Unterschichten, Familien aus Quartieren an den Stadträndern, ’nach Zigeunerart herumziehende Landfahrer‘, angeblich ‚Arbeitsscheue‘, Alkoholiker, ‚getarnt Schwachsinnige‘, Prostituierte sowie Zuhälter. ‚Unter den als asozial Verhafteten [gab es] auch genug Leute, denen nichts anderes vorzuwerfen war, als daß sie etwa zweimal zur Arbeit zu spät gekommen waren oder unberechtigt Urlaub genommen, ohne Genehmigung des Arbeitsamtes den Arbeitsplatz gewechselt, ihr nationalsozialistisches Dienstmädchen ‚schlecht behandelt‘, als Eintänzer ihr Brot verdient hatten und was dergleichen ‚Vergehen‘ mehr waren.“[3] Weiterhin zählten zu den ‚Asozialen‘ ‚Frauen, die sich in irgendeiner Form nicht in den NS-Staat einfügten, beispielsweise den Bund Deutscher Mädels ablehnten oder nicht zum Reichsarbeitsdienst gingen‘.[4] Die Kategorien überschnitten sich. Mittels massiver nationalsozialistischer Propaganda verbreitete sich so die Vorstellung, dass die faktische Diskriminierung einem ‚gesunden Volksempfinden‘ entsprechen würde. …“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Asoziale_%28Nationalsozialismus%29).
Niemand sollte ernsthaft in Abrede stellen, dass der Kollege Polizeioffizier nichts anderes im Sinn hatte, als das unter anderem von der Springer-Presse geschürte „gesunde Volksempfinden“ und die extremistischen Neigungen der Mitte anzusprechen. Es sollte kein Geheimnis sein, dass er damit nicht nur einen großen Teil der bundesrepublikanischen Bevölkerung, sondern vor allem die Mehrheit der von ihm repräsentierten KollegInnen hinter sich weiß. Vor 1933 gab es Propaganda, danach und vor allem auch nach 1945. Die Empfänglichkeit des „gesunden Volksempfindens“ für die Lügen der Propaganda ist nicht nur in Deutschland eine konstante Größe.
Dass ein Polizeigewerkschafter trotz eines solchen Verhaltens in Amt und Würden verbleiben kann, ist in der BRD nicht verwunderlich. Ebenso wie Brigadegeneral Georg Klein kann Björn Helminghaus mit seiner alsbaldigen Beförderung rechnen, was gerade im Besonderen für Hessen gilt. Staatstragende Ansichten wie die des Herrn Polizeifunktionärs wirken sich keinesfalls nachteilig auf ihre Karrieren aus.
Gründe, das Verhalten des „Gewerkschafters“ in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, sind weit und breit nicht zu erkennen. Wer twittert, hat Zeit. Er überlegt sich, was er schreibt. Wenn er etwas sendet, tut er es mit Bedacht.
Dass sich ein so hochrangiger Polizeifunktionär von Emotionen leiten lässt, ist nicht glaubhaft, zumal sich die Situation während einer Twitter-Session doch von einer emotionalen Gesprächssituation unterscheidet. Selbst wenn sich der Gewerkschaftskollege während eines lautstark geführten Gesprächs so erklärt hätte, wäre eine Entgleisung dieser Art nicht mehr in einem tolerierbaren Bereich.
Wie unter diesen Umständen ein anderer Polizeifunktionär auf die Idee kommen kann, den aus der Spur Geratenen in Schutz zu nehmen, ist nicht mehr nachvollziehbar. Rainer Wendt, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft (http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gewalt-gegen-polizisten-heule-heule-gaenschen-12092159.html), sieht das scheinbar anders. Er soll erklärt haben, die „historisch belastete Formulierung“ sei Folge eines „verständlichen Zustands der Empörung“ (http://www.taz.de/!129907/).
Wer ihm das als glaubhaft abkauft bzw. abkaufen möchte, geht gegenwärtig davon aus, dass die Erde eine Scheibe und der Papst noch immer ein Deutscher ist. Die Herren Werminghaus und Wendt wissen sehr gut, dass die Masse der in der Polizeigewerkschaft sowie in Vereinen wie „Blaulicht“ und „Pro Polizei“ organisierten Kollegen meinen, ihr Genosse Werminghaus habe vollkommen recht mit seiner Abschaum-Erklärung.
Außerhalb von Twitter müssen sich die TeilnehmerInnen im Verlauf von Versammlungen oder in der Obhut der Polizei nicht selten noch schlimmere verbale Entgleisungen gefallen lassen. Der unbeschränkte Corpsgeist schafft auch in solchen Situationen vor allem Beweisnot.
Es gab zumindest in Westdeutschland zu keiner Zeit einen Abschnitt, in dem Militär und Polizei nicht stramm rechts standen, weder vor 1933, geschweige denn in der Zeit bis 1945, noch danach. Diese Zweige der staatlichen Gewalt sahen und sehen den Feind stets links. Ihre Grundhaltungen sind antikommunistisch, ausländerfeindlich, rassistisch und neofaschistischen Bestrebungen freundlich, jedenfalls nicht ablehnend gesinnt.
Kritik ist für diese Herrlichkeiten ein Verbrechen, das zur Zeit nicht mit der Todesstrafe geahndet werden kann, weil sie das Grundgesetz für abgeschafft erklärt hat. Es gibt allerdings subtilere Methoden, um mit Hilfe einer unzulänglichen und überkommenen Traditionen nachhängenden Justiz seinen – zum Beispiel rassistischen – Neigungen einen mehr oder weniger freien Lauf zu lassen (http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/), von der staatlichen „Förderung“ der Aktionen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) einmal ganz abgesehen.
Das Verhalten des Polizeifunktionärs Björn Werminghaus, dessen Namen Menschen mit einem aufrechten Gang fortan nur noch mit geringer Freude in den Mund nehmen, ist ein beredtes Einzelbeispiel dafür, dass es in der BRD unter der Geltung des Grundgesetzes keinen ernsthaften und ausgeprägten Willen für eine Entnazifizierung des deutschen Polizeiwesens gab. Stattdessen ist in den entscheidenden Jahren nach 1945 aus politischen Gründen die Renazifizierung in allen Bereichen der staatlichen Gewalt vorangetrieben worden. Von Generation zu Generation sind so die fundamentalen Einstellungen der staatlichen Helfer des sogenannten „Dritten Reiches“ weiter gereicht worden.
Wer sich dieser Erkenntnis dauerhaft verschließt, müsste sich eigentlich so fühlen, als sei er in senkrechter Stellung begraben worden. Angesichts dieser Lage kommt einem hundert Jahre nach dem Beginn des ersten Weltkriegs und der blutigsten Demonstration in der deutschen Geschichte, die am 13.01.1920 im Bereich des Reichstags stattfand (https://de.wikipedia.org/wiki/Blutbad_vor_dem_Reichstag_am_13._Januar_1920#cite_note-1), das kalte Grausen.
Aussichten auf eine Besserung bestehen nicht. Der Menschenwürde zur Achtung zu verhelfen, Bürgerrechte mit Hilfe von Demonstrationen durchzusetzen und die Demokratie zu stärken, wird angesichts der Ereignisse in Frankfurt und Hamburg im Jahr 2013 immer gefährlicher.