Anstand, Haltung und persönliche Verantwortung – Der Fall Hoeneß – Unrechtsstaat oder Rechtsstaat?

Der Fall Ulrich Hoeneß

Am 13.03.2014 verurteilte das Landgericht München den Präsidenten des FC Bayern München, Herrn Ulrich Hoeneß wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten. In ihrem Schlussvortrag hatte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten beantragt. Die Verteidigung meinte, es könne allenfalls eine Freiheitsstrafe in Betracht kommen, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Ein solches wäre nur möglich gewesen, wenn die Freiheitsstrafe 2 Jahre nicht überstiegen hätte.

Das – trotz des bislang einseitigen Rechtsmittelverzichts des Angeklagten – noch nicht rechtskräftige Urteil wird von dem Verurteilten nach Maßgabe aktueller Pressemitteilungen vom 14.03.2014 wohlweislich nicht angefochten. Wie sich die Staatsanwalt­schaft verhalten wird, steht zur Zeit noch nicht fest.

Das Strafurteil erfuhr in der Öffentlichkeit ein unterschiedliches Echo. Die Fußballfans des FC Bayern München meinten, die verhängte Freiheitsstrafe sei viel zu hoch. Wegen seiner Verdienste für diesen Fußballclub habe die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden müssen. Andere wiederum erklärten, der Strafausspruch sei der Höhe nach nicht gerechtfertigt. Die verhängte Freiheitsstrafe sei zu niedrig.

Die Mainstream-Medien, allen voran der öffentliche Rundfunk, versuchten den Anschein zu erwecken, die so genannten „Experten“ hielten die Entscheidung des Landgerichtes München für „ausgewogen“. Dabei wird gelogen und vertuscht, um den Anschein der Rechtsstaatlichkeit zu wahren.

Tatsächlich ist festzustellen, dass sich der so genannte Rechtsstaat im Fall des Herrn Ulrich Hoeneß erneut nicht an seine eigenen Regeln hielt. Verschwiegen wird, dass durchaus über die Frage diskutiert wird, ob es sich bei der Bundesrepublik Deutschland überhaupt um einen Rechtsstaat handelt. Sollte es sich um einen Unrechtsstaat handeln, müsste darüber nachgedacht werden, ob ein solcher Staat überhaupt befugt ist, seine Bürger zu bestrafen.

So gesehen müsste u. U. Herrn Ulrich Hoeneß noch ein Orden verliehen werden. Dabei geht es nicht um die Verdienste des Herrn Ulrich Hoeneß für den Fußballclub FC Bayern, deren Präsident er ist. Gemeint ist, dass er dem Staat kein oder jedenfalls zu wenig Geld zur Verfügung stellte, damit dieser seine Aufrüstungspläne und Kriegsziele – zumal unter Umgehung des Parlaments – verfolgen kann. In diesem Sinne wäre nämlich Herr Ulrich Hoeneß ein Friedensengel. Er verweigerte seine Unterstützung für Kriegsvorbereitungen, Kriegstreiberei und die Finanzierung der Rüstungsindustrie.

Ungeachtet dessen kann durchaus die Ansicht vertreten werden, dass das gegen Herrn Ulrich Hoeneß geführte Verfahren nur halbherzig betrieben worden ist. Würde es sich bei Herrn Hoeneß um einen normalen Bürger, einen Ausländer oder einen Menschen mit einer anderen als in der Deutschland üblichen Hautfarbe handeln, hätte er nach seiner unvollständigen Selbstanzeige nicht weiter frei herumlaufen können. Es wäre ein Haftbefehl erlassen worden. Nur privilegierte Menschen wie Herr Ulrich Hoeneß verfügen über ausreichende finanzielle Mittel, um der Haft durch Zahlung einer Kaution in Höhe von € 5.000.000,00 zu entgehen.

Indes wird es auch bei einfachen Bürgern und Ausländern oder Menschen mit anderer Hautfarbe kurzerhand abgelehnt, Haftbefehle gegen Zahlung einer Kaution außer Vollzug zu setzen. Stets wird damit argumentiert, im Hinblick auf die Höhe der zu erwartenden Strafe könne die Fluchtgefahr auch nicht durch Zahlung einer Kaution – gleich in welcher Höhe – beseitigt werden. Betrifft das Verfahren jedoch einen Multimillionär mit der richtigen, rechten Gesinnung, ist die deutsche Justiz und vor allem die bayerische Justiz durchaus geneigt, solche Dinge anders zu sehen.

Normale Menschen, Ausländer und Menschen mit anderer Hautfarbe verfügen allerdings nicht über 5.000.000,00 €, um der Haft zu entgehen. Gegen sie wäre der Haftbefehl selbst dann vollstreckt worden, wenn sie lediglich € 3.000.000,00 Steuern hinterzogen hätten. Im Fall des Herrn Ulrich Hoeneß ergab die Hauptverhandlung, dass ca. 28.500.000,00 € an Steuern hinterzogen worden sind.

Der Einsatz der drei Strafverteidiger des Herrn Ulrich Hoeneß ist zu würdigen. Mutig vertraten sie in der Hauptverhandlung die Auffassung, dass zwar eine Freiheitsstrafe verhängt werden müsse. Es müsse sich jedoch um eine solche handeln, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass den drei hochbezahlten Verteidigern die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu unbekannt ist. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach ausgeführt, dass im Falle von Steuerhinterziehung schon pro € 50.000,00 hinterzogener Steuern eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zu verhängen sein kann. Selbstverständlich müssen auch in solchen Fällen die Umstände des Einzelfalles beachtet werden:

„… Bei der Bestimmung des gesetzlichen Merkmals ‚in großem Ausmaß‘ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO für einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gilt Folgendes:

a) Wie bereits im Grundsatzurteil des Senats vom 2. Dezember 2008 (1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 81) ausgeführt, bestimmt sich das Merkmal ‚in großem Ausmaß‘ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nach objektiven Maßstäben. Es liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt. Die Betragsgrenze von 50.000 Euro kommt namentlich dann zur Anwendung, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunternehmen (‚Griff in die Kasse‘). Ist diese Wertgrenze überschritten, dann ist das Merkmal erfüllt (BGHSt 53, 71, 85; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 – 1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 644; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 – 1 StR 81/11, wistra 2011, 396).

b) Beschränkt sich das Verhalten des Täters indes darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die Wertgrenze zum ‚großen Ausmaß‘ demgegenüber bei 100.000 Euro (BGHSt 53, 71, 85). Dasselbe gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begeht, indem er eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige Einkünfte oder Umsätze verschweigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 – 1 StR 81/11, wistra 2011, 396) und allein dadurch eine Gefährdung des Steueranspruchs herbeiführt.

c) Anders ist die Sachlage, wenn der Täter steuermindernde Umstände vortäuscht, indem er etwa tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht. Denn in einem solchen Fall beschränkt sich das Verhalten des Täters nicht darauf, den bestehenden Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften oder Umsätzen zu gefährden. Vielmehr unternimmt er einen ‚Griff in die Kasse‘ des Staates, weil die Tat zu einer Erstattung eines (tatsächlich nicht bestehenden) Steuerguthabens oder zum (scheinbaren) Erlöschen einer bestehenden Steuerforderung führen soll. Es bleibt dann deshalb für das gesetzliche Merkmal ‚in großem Ausmaß‘ bei der Wertgrenze von 50.000 Euro.

d) Trifft beides zusammen, das Verheimlichen von Einkünften bzw. Umsätzen einerseits und die Vortäuschung von Abzugsposten andererseits, etwa beim Verheimlichen von Umsätzen und gleichzeitigem Vortäuschen von Vorsteuerbeträgen, ist das Merkmal ‚in großem Ausmaß‘ i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO jedenfalls dann erfüllt, wenn der Täter vom Finanzamt ungerechtfertigte Zahlungen in Höhe von mindestens 50.000 Euro erlangt hat (vgl. BGH NStZ 2011, 643, 644 Rn. 13). Dasselbe gilt aber auch, wenn ein aufgrund falscher Angaben scheinbar in dieser Höhe (50.000 Euro) bestehender Auszahlungsanspruch ganz oder teilweise mit anderweitigen Steuerverbindlichkeiten verrechnet worden ist. Die Verrechnung steht dann nämlich insoweit einer Auszahlung gleich. Hat dagegen die Vortäuschung von steuermindernden Umständen für sich allein noch nicht zu einer Steuerverkürzung von mindestens 50.000 Euro geführt, verbleibt es für die Tat insgesamt beim Schwellenwert von 100.000 Euro (vgl. BGH NStZ 2011, 643, 644). …“ (BGH, Beschluss vom 15.12.2011 – 1 StR 579/11)

Dabei sind die € 50.000,00 bzw. € 100.000,0 zunächst nur ein Richtwert. Dennoch kann nicht zweifelhaft sein, dass der Präsident des FC Bayer in großem Ausmaß Steuern hinterzogen hat, was er gewerbsmäßig tat.

Die Umstände des Einzelfalles bestanden darin, dass Herr Ulrich Hoeneß, womöglich gehetzt durch Recherchen einer Zeitschrift, eine Selbstanzeige erstattete. Allen in diesem Bereich tätigen Juristen ist allerdings ebenso bekannt, dass Selbstanzeigen nur dann zur Straflosigkeit führen können, wenn sie vollständig und wahrheitsgemäß erstattet werden. Außerdem müssen die hinterzogenen Steuern sofort nachgezahlt werden.

http://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__371.html

Diese Voraussetzungen lagen im Fall des Herrn Ulrich Hoeneß nicht vor. Er konnte daher von Anfang an nicht damit rechnen, dass seine Selbstanzeige zu einer Straffreiheit führen würde, auch wenn dies seine Strafverteidiger nun anders darstellten.

Würde es sich um einen normalen Bürger, einen Ausländer oder einen Menschen mit anderer Hautfarbe handeln, hätten die Strafverfolgungsbehörden solchen Personen sofort unterstellt, dass die in der Selbstanzeige als hinterzogen angegeben Steuern absichtlich zu niedrig angegeben worden sind. Das ist die ständige Praxis.

In der Summe kann festgehalten werden, dass der Fall Ulrich Hoeneß ein weiteres Beispiel für die bundesdeutsche Klassenjustiz ist. Letztendlich unterscheidet sich der Fall des Herrn Ulrich Hoeneß nicht wesentlich von dem Ergebnis des Kachelmann-Prozesses.

http://www.hu-marburg.de/homepage/justiz/info.php?id=1098#text

Im Fall des Herrn Kachelmann konnte dieser der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, aber zunächst nicht der Untersuchungshaft, nur aufgrund der Tatsache entgehen, dass es ihm finanziell möglich gewesen ist, mit viel Geld Gegengutachten zu finanzieren und eine teure Verteidigung zu bezahlen. Normale Bürger, Ausländer und Menschen mit anderer Hautfarbe haben solche Möglichkeiten nicht.

Im Falle der Beachtung der allgemeinen Vorgaben des Bundesgerichtshofs muss ein Bürger, der Steuern in einer Größenordnung von € 500.000,00 oder € 1.000.000 hinterzieht, grundsätzlich damit rechnen, dass gegen ihn die Höchststrafe von 10 Jahren Freiheitsstrafe verhängt wird. Genau genommen, wird gegen einen „Steuersünder“ 1 Tag Freiheitsstrafe für einen hinterzogenen Betrag von € 136,99 (€ 273,98) verhängt. Rein rechnerisch hätte daher Herr Ulrich Hoeneß mit einer Freiheitsstrafe von 208050 Tagen (104025), 6840 Monaten (3420) oder 570 Jahren (275) rechnen müssen. Dabei ist die Höchststrafe von Gesetzes wegen auf 10 Jahre begrenzt.

Die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe betrug jedoch lediglich 3 Jahre und 6 Monate. Dies entspricht 42 Monaten oder 1314 Tagen. Es bedeutet nichts anderes, als dass die Rechtsprechung dem Multimillionär mit der stramm rechten Grundhaltung eines CSU-Bayern es gestattete, einen wesentlich höheren Steuerschaden zu verursachen und dabei mit einer deutlich geringeren Strafe wegzukommen. Herr Ulrich Hoeneß durfte für einen Tag Freiheitsstrafe einen Steuerschaden in Höhe von € 20.547,95 verursachen. Nach der nun nur für den Verurteilten geltenden Lex Hoeneß gilt, dass es pro € 7.916.666,67 (€ 15.833.333,34) verursachtem Steuerschaden ein Jahr Freiheitsstrafe gibt. Diese Zahlen verdeutlichen, dass durch das Verfahren des Herrn Ulrich Hoeneß sämtliche Relationen verschoben worden sind. Andere Menschen dürfen auf diese extremen Verschiebungen und Präjudizien nicht berufen, da der „deutsche Unrechtsstaat“ hat schon vor Jahrzehnten für diese Fälle vorgesorgt und postuliert hat, im Unrecht könne es keine Gleichheit geben.

Der Verfasser dieses Artikels musste erleben, dass Menschen, die Ausländer waren oder eine andere Hautfarbe hatten, 6 Monate in Haft bleiben mussten, weil sie gelegentlich eines Ladendiebstahls einen Schaden verursachten, der keinesfalls höher als € 100,00 gewesen ist. Der Verfasser dieses Artikels denkt zudem an die vielen Fälle, in denen Menschen beim so genannten Schwarzfahren erwischt worden sind. Weil sie dies mehrfach taten, befinden sie sich in der Zwischenzeit in Haft. Der durch das Schwarzfahren von den einzelnen Personen verursachte Schaden liegt ebenfalls jeweils deutlich unter € 100,00. Ein Drittel der Inhaftierten der JVA Berlin-Plötzensee sitzt wegen „Beförderungserschleichungen“ ein. Es soll sich um 135 Personen handeln, meldete die „taz“.

http://www.taz.de/!59721/

„… So wurde im November 2013 ein 34jähriger Erwerbsloser in Nordhessen zu 21 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er Lebensmittelgutscheine des Jobcenters Waldeck-Frankenberg am Computer gefälscht hatte. Im Dezember 2013 verhängte das Amtsgericht im niedersächsischen Delmenhorst gegen einen 32jährigen Langzeitarbeitslosen wegen des gleichen Vergehens eine Haftstrafe von zwei Jahren. …“

http://www.jungewelt.de/2014/03-14/053.php?sstr=Hoene%DF

Dem mit Vernunft ausgestatteten Zeitgenossen sollte sich nach alledem die Frage aufdrängen, ob angesichts solcher Relationen noch von einer Strafjustiz die Rede sein kann, die auch nur im Ansatz rechtsstaatlichen Anforderungen genügt, zumal sie nicht bereit ist, sich an ihre eigenen Mindeststandards zu halten. Klassenjustiz ist integraler Bestandteil von Unrechtsstaaten, ganz gleich ob seine Kompetenz zum Strafen anerkannt wird oder nicht. Was all das mit „Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung“

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/menschen-wirtschaft/uli-hoeness-keine-revision-ruecktritt-beim-fc-bayern-12846621.html

zu tun haben könnte, ist eher ein Rätsel. Herr Ulrich Hoeneß darf mit weiterer Nachsicht der Strafvollzugs- und Strafvollstreckungsbehörden, einem erfolgreichen Halbstrafengesuch, viel Freigang und reichlich Annehmlichkeiten in der für ihn zuständigen Justizvollzugsanstalt rechnen. Solche Wohltaten haben normale Bürger, Arme, Ausländer und Menschen mit anderer Hautfarbe nicht zu gewärtigen.

Tronje Döhmer

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