Im schier endlosen Todeskampf windet sich diese alte, abgetakelte Hure. Bald wird sie in irgendeiner Gosse liegen, und niemand wird es für angemessen halten, sie zu begraben. Kaum einer wird dieser Ökonomie dann noch eine Träne hinterhertrauern.
Schon vor fast 40 Jahren ist dieses Wirtschaftssystem endgültig auf die schiefe Bahn geraten. Damals warfen die Patrone den letzten Rest ihrer sozialen Verantwortung über Bord und gaben sich ganz der Profitgier hin. Aus dem vorausschauenden „rheinischen Kapitalismus“ wurde der „Share-Holder-Value-Kapitalismus“ nach US-amerikanischem Vorbild.
„Jeder ist sich selbst der Nächste“ oder „Eigenverantwortung“ lauteten die Parolen, mit denen die Propagandisten der „Neuen Zeit“ diese Entwicklung den Menschen schmackhaft zu machen versuchten.
Eine Hure war die Wirtschaft ja schon immer gewesen, doch hatte sie es früher mit fast jedem getrieben. Nun aber glaubte sie, sie sei nur noch für die Super-Reichen da. Ihnen war sie fortan auch in den ausgefallensten Stellungen zu Willen.
Zunächst wurde sie dafür gepriesen und angebetet. Doch schon bald konnten ihre „Freier“ nicht mehr genug kriegen, soviele Sonderwünsche sie ihnen auch erfüllte. Auf etliche von ihnen wirkten ihre Dienste wie eine Droge.
Geraucht hatte sie ja schon immer. Doch nun paffte sie ständig, bis der Qualm allen die Sinne vernebelte.
Die Grünen wollten es richten. Sie setzten sich für ein sauberes Bordell ein. Der Rauch musste zum Fenster hinaus. Deswegen wurde dort nun regelmäßig gelüftet.
Doch längst war die Ökonomie auf Glimmstengel mit berauschendem Inhalt umgestiegen. „Optionen“ oder „Bonds“, „Waren-Termingeschäfte“ oder „Immobilienfonds“ hießen die neuen Kräuter, die sie nunmehr betörten. „Hedge-Fonds“ waren für sie die absolute Offenbarung.
Dank des süßlichen Geruchs hatten sich nun auch die Grünen mit dem verrauchten Klima im Bordell abgefunden. Schließlich waren auch sie scharf auf die Liebesbezeugungen dieser devoten Dirne. Die wiederum belohnte ihre neuen „Freier“ mit allerlei Fesselspielen fürstlich für ihr einträgliches Interesse an diesen Diensten.
Zwischenzeitlich musste das Rote Bordell unweit des Ostbahnhofs dichtmachen. Die Damen dort verkauften sich nun auf dem Straßenstrich billig an zahlungskräftige Freier aus den westlichen Stadtteilen. Eine echte Konkurrenz waren sie nun aber nicht mehr.
Und so konnte die begehrte Hure fast jeden Preis verlangen. Sie kassierte ab, was das Zeug hielt.
Doch dann wurde ihr die Spiel-Leidenschaft zum Verhängnis. Hatte sie früher nur dann und wann einmal Lotto gespielt und nur sehr selten mal einige Scheine beim Roulette eingesetzt, so war sie in den letzten Jahren regelrecht zur Hasardeurin geworden. Es gab kaum eine Spielbank, wo sie nicht zu den Stammgästen zählte.
Außerdem war sie allmählich doch in die Jahre gekommen. Hatte sie einst selbst in ihrer jugendlichen Vermessenheit den Schönheits-Wahn propagiert, so bot sie nach all dem Sex, Suff, SM-Spielchen und den anderen anstrengenden Aktivitäten ein überaus jämmerliches Bild.
Zwar wollte sie das nicht wahrhaben. Immer noch trat sie überall auf, als sei sie eine wunderschöne junge Prinzessin. Doch die mit allerlei Schminke übertünchte faltenreiche Fassade begann, böse zu bröckeln.
Ihre – mit ihr in die Jahre gekommenen – Verehrer kamen zunächst immer noch zu ihr und nahmen ihre hingebungsvollen Dienste genussvoll in Anspruch. Doch nach und nach schauten sich einige von ihnen heimlich schon nach einer jüngeren Gespielin um.
Es ist nicht mehr zu leugnen: Die Wirtschaft ist alt, grau und krank geworden. Sie kann sich nicht einmal mehr selbst durch ihre eigenen Aktivitäten ernähren!
Längst hat sie staatliche Leistungen in Anspruch nehmen müssen. Geholfen haben die gigantischen Summen bislang aber nichts.
Ihre ureigenste Aufgabe, die Menschen mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen, erfüllt die Wirtschaft schon seit einigen Jahren nicht mehr. Armut hat sich überall dort breit gemacht, wo die Menschen allein auf ihre Leistungen angewiesen sind.
Früher hatte dieses Wirtschaftssystem wenigstens die Völker in Europa und Amerika noch größtenteils ernährt. Doch nun bricht es allmählich zusammen.
Noch windet sich die einstige Luxus-Dirne in ihrem schmerzhaften Todeskrampf. Aber die Anzeichen sind unübersehbar: Lange wird es mit ihr nicht mehr so weitergehen wie bisher.
Franz-Josef Hanke
Pingback: Fifties for Future: Nachbarschaftshilfe statt kapitalistischem Gewinnstreben | Franz-Josef Hanke
Pingback: Fifteen for Future: Mögliche Maßnahmen für wirksamen Klimaschutz | Franz-Josef Hanke
Pingback: Sofort handeln: 15 Vorschläge für wirksamen Klimaschutz – Humanistische Union Marburg
Pingback: Fifteen for Future: Für ein Klima der Humanität | Franz-Josef Hanke
Pingback: Konjunktur im Konjunktiv: Was wäre, wenn Wirtschaft wirklich menschlich wird | Franz-Josef Hanke
Pingback: Sofort handeln: Für ein Klima nachhaltiger Humanität – Humanistische Union Marburg