Es hat sich ausgekocht: Seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern hat der hessische Ministerpräsident Roland Koch am Dienstag (25. Mai) in Wiesbaden verkündet. Damit verlässt der „brutalstmögliche“ Hardliner in der Riege der CDU-Landesfürsten die politische Bühne.
Bei einem Parteitag am Samstag (12. Juni) möchte Koch nicht wieder für die Funktion des CDU-Landesvorsitzenden kandidieren. Ende August will er das Amt des hessischen Ministerpräsidenten aufgeben. Im November schließlich möchte er dann auch aus dem CDU-Bundesvorstand als Stellvertretender Vorsitzender ausscheiden. Auch sein Abgeordnetenmandat will Koch niederlegen.
Seine Nachfolge möchte Koch möglichst bald regeln. Das kündigte er bei der Pressekonferenz am Dienstagmittag in Wiesbaden an. Die Journalisten müssten nicht allzu lange auf eine Entscheidung warten, versprach er.
Seine elfjährige Amtszeit bezeichnete Koch als „erfolgreich“. Als Beleg dafür nannte er „die Aufholjagd bei den Hochschulen“ und die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg. Das Wort „Jagd“ muss er wohl wörtlich gemeint haben, denn gerade erst in den vorangegangenen Wochen hat die von Koch geführte Landesregierung zum Halali auf die Bildung geblasen. Kürzungen von 30 Millionen Euro bei den Etats der Hochschulen kann kein weitsichtiger Mensch als „Erfolg“ feiern.
Aber Koch rühmte sich in seiner Rede auch, die Landesfinanzen auf „das Prinzip der wirtschaftlichen Buchführung“ umgestellt zu haben. So kann man Sparpolitik auch verharmlosen!
Nach dem – für die CDU nicht gerade rühmlichen – Ausgang der nordrhein-westfälischen Landtagswahl hatte Koch auch der Bundeskanzlerin vorgeschlagen, an Bildung und Sozialausgaben zu sparen. Es dürfe „keine Tabus“ geben, erklärte er.
Tabulosigkeit ist ohnehin ein bekanntes Persönlichkeitsmerkmal des Eschborner Politikers. Nur mit Angriffen auf die Doppelte Staatsbürgerschaft und auf „kriminelle Jugendliche“ konnte er überhaupt Mehrheiten bei Landtagswahlen erkämpfen. Dafür war ihm keine reaktionäre und populistische Parole zu billig!
Nun also verlässt Kommandant Koch den hessischen Panzerkreuzer. Mancher mag ihm da wohl kaum eine Träne nachweinen.
Noch für den Abend kündigte Koch ein Treffen der CDU-Kreisvorsitzenden an. Dort solle über die Konsequenzen seiner Entscheidung diskutiert werden.
Er selbst habe diese Entscheidung lange und gründlich vorbereitet. Doch hätten alle dichtgehalten, die er ins Vertrauen gezogen hatte, erklärte der Politiker nicht ohne Stolz.
Deswegen wird wohl auch schon ein Bewerber um Kochs Nachfolge in den Startlöchern stehen. Sollte das der hessische Innenminister Volker Bouffier sein, dann käme das Land vom Regen in die Traufe.
Gilt Koch schon als Hardliner, müsste man seinen Busenfreund Bouffier als noch hartleibiger und reaktionärer betrachten.
Allerdings mag mancher hoffen, dass die Affären der letzten Zeit den Gießener Law-and-Order-Politiker geschwächt haben. Ein Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags überprüft derzeit, ob Bouffier sich bei der Ernennung des Bereitschaftspolizeipräsidenten über ein rechtskräftiges Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Kassel hinweggesetzt hat. Auch bei anderen Stellenbesetzungen wirft die Opposition dem Innenminister Günstlingswirtschaft vor.
Aus bürgerrechtlicher Sicht hat sich Bouffier auch durch seine Vorstöße zu Lasten von Freiheitsrechten hervorgetan. So hat er trotz eines Verbots des Bundesverfassungsgerichts die Video-Erfassung von Autokennzeichen ins neue Hessische Polizeigesetz geschrieben.
Nach alledem sollte Bouffier eigentlich zurücktreten. Für das Amt des Ministerpräsidenten jedenfalls kommt er nicht in Frage.
Nachdem Umweltministerin Silke Lautenschläger am Dienstagmorgen ebenfalls ihren Rückzug aus dem Landeskabinett bekanntgegeben hat, stehen außer Bouffier nur wenige profilierte CDU-Politiker zur Verfügung. Das gilt ganz besonders, wenn mit dem Wechsel zugleich auch eine Verjüngung einhergehen soll.
Koch jedenfalls will sich künftig in der Wirtschaft engagieren. Bei genauem Hinhören fällt auf, dass er in diesem Zusammenhang das Wort „Bank“ fallenließ.
Seine vollmundige Prognose, dass es in Hessen eine „stabile bürgerliche Mehrheit“ gebe, war wohl eher lautes Pfeifen im Wald als eine realistische Einschätzung. Schließlich musste er doch erst im Januar 2008 eine linke Mehrheit hinnehmen, die nur durch eine massive Hetzkampagne und dadurch erzwungene Neuwahlen nicht in eine rot-rot-grüne Regierung einmündete. Wenn Koch nun von der politischen Bühne abtritt, dann ist das nur ein Etappensieg für die Bürgerrechte. Es könnte sogar noch schlimmer kommen, wenn Bouffier seine Funktion übernähme. Aber ein Politiker, der wegen Parteienverrats überführt und massiven Rechtsbruchs beschuldigt wird, wäre wohl noch weniger tragbar als ein Innenminister gleichen Namens. Insofern gilt nun doch das Prinzip Hoffnung.
Franz-Josef Hanke