Hier kann jeder machen, was er will – Kein schöner Land für rechte Geheimdiener

„Hier kann jeder machen, was er will“, sang der Liedermacher Franz Josef Degenhardt vor 40 Jahren ironisch. Dann fügte der praktizierende Rechtsanwalt sarkastisch hinzu: „Auf dem Boden der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung natürlich!“

Die Bundesrepublik ist ein sozialer Rechtsstaat, heißt es im Artikel 20 des Grundgesetzes (GG). Die VErfassung legt auch das Demokratieprinzip fest. Demnach ist die Bundesrepublik Deutschland eine Repräsentative Demokratie.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags werden in freien, gleichen und geheimen Wahlen vom Volk gewählt. Sie sind allein ihrem Gewissen verantwortlich.

Außerdem zeichnet sich ein demokratischer Staat durch das Prinzip der Gewaltentrennung aus. Danach sind die drei Staatsewalten Legislative, Exekutive und Jurisdiktion voneinander unabhängig.

Die bundesdeutsche Wirklichkeit sieht freilich anders aus. Längst ist der Bundestag zu einem Abnick-Anhängsel der Bundesregierung verkommen. Die meisten Vorlagen, die er bewilligen soll, werden in der Öffentlichkeit als „alternativlos“ verkauft oder durch vorherige Beschlüsse der Regierungen im Ministerrat der Europäischen Union (EU) vorbestimmt.

Nur zwölf Bundestagsabgeordnete wählen die Hälfte der Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Die andere Hälft wird von den Landesregierungen im Bundesrat ausgekungelt. Von einer strikten Gewaltentrennung kann angesichts dessen kaum ernstlich die Rede sein.

Umso erstaunlicher ist, dass die Karlsruher Richter sich bei ihren Entscheidungen trotzdem einigermaßen autonom verhalten und beim Eilverfahren zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und dem EU-Fiskalpakt dem drängenden Druck aus Politik und Wirtschaft zumindest zunächst tapfer standgehalten haben. Bemerkenswert sind auch einige ihrer Entscheidungen zum Schutz von Bürgerrechten wie beispielsweise das Verbot einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung (VDS).

Doch kaum war dieser Spruch veröffentlicht, da drängten sogenannte „Sicherheitspolitiker“ in mehreren Parteien wie auch die Spitzen von Geheimdiensten und der BKA-Präsident Jörg Zierke auf ein neues Gesetz zur VDS. Ohne sie könnten sie ihren Kampf gegen gefährliche Verbrecher nicht wirksam führen, lamentierten sie.

Mit ihrer Verfassungstreue scheint es in Anbetracht dieser Ignoranz gegenüber den Verfassungsrichtern nicht weit her zu sein. Diesen Verdacht nähren nun auch die Erkenntnisse des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags sowie eines entsprechenden Ausschusses des Thüringer Landtags.

Geheimdienste entziehen sich jeder demokratischen Kontrolle und müssen deshalb abgeschafft werden. Zu diesem Schluss kam schon 1990 ein Memorandum der Humanistischen Union (HU), das damals pikanterweise auch der spätere Bundesinnenminister Otto Schily mit unterzeichnet hat.

Ein Schlaglich auf die Verfassungstreue der Dienste mag die Gründungsgeschichte des Bundesnachrichtendiensts (BND) werfen. Gegründet wurde er unter dem Namen „Organisation Gehlen“ durch den vorherigen Nazi-Geheimdiener Reinhard Gehlen. Seine alten Kameraden bildeten den Grundstock des BND-Personals.

Auf der Lohnliste des BND stand einige Monate lang auch der – damals bereits wegen Mordes verurteilte Nazi-Kriegsverbrecher Klaus Barby. Der Verfassungsschutz schützte diesen „Schlächter von Lyon“ noch in den 70er Jahren bei Reisen durch Deutschland vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden.

Das Personal beim Verfassungsschutz sei illoyal gegenüber dem demokratischen Staat, meinte die Grünen-Politikerin Renate Kühnast. Deswegen schlug sie vor, das Personal einfach auszutauschen.

Die SPD möchte die Geheimdienste „reformieren“. Was sie darunter versteht, mögen sich geschichtsbewusste Zeitgenossen anhand ihrer hochgejubelten Hartz-Reform lieber nicht ausmalen!

Aber auch, wenn man die 19 deutschen Geheimdienste schlicht abschaffen würde, wären die Agenten dieser Dienste weiterhin im Land. Was sie so treiben könnten, das deuten die vielen Gerüchte über ehemalige StaSi-Seilschaften nur nebulös an.

In der personellen Kontinuität waren das Ministerium für Staatssicherheit (StaSi) der ehemaligen DDR und die westdeutschen Dienste nicht weit voneinander entfernt. Altnazis mit nachrichtendienstlicher Erfahrung waren in Zeiten des „Kalten Kriegs“ in beiden deutschen Staaten ohne Ansehen ihrer vorherigen Verbrechen willkommen.

Längst sind diese Leute nicht mehr aktiv. Die meisten dürften nicht einmal mehr leben. Aber ihre Methoden haben sie sicherlich weitergereicht an die nächsten Generationen von Schlapphüten und Spitzeln.

Die HU-Forderung nach Auflösung der Geheimdienste ist also brandaktuell und fast zwingend. Hinzu kommt aber auch ein engagiertes Eintreten für das Grundgesetz und seinen Geist getreu der damaligen Begründung des früheren HU-Bundesvorsitzenden Dr. Till Müller-Heidelberg: „Der beste Verfassungsschutz sind die Bürgerinnen und Bürger!“

Audiodatei zum Text: hartmuth.mp3

Franz-Josef Hanke

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