Marktfrühschoppen für Burschenschaften in Marburg? – ¡Basta! ¡Nunca más!

Der auf dem Marktplatz der Stadt Marburg durchgeführte „Marktfrühschoppen der Marburger Studentenverbindungen“ ist ein „nachhaltiges“ Ärgernis, gerade im Jahr 2014, hundert Jahre nach dem Beginn des ersten Weltkrieges. Die extrem rechten Burschenschaften – besonders die Burschenschaften des Dachverbands “Deutsche Burschenschaften” (DB) – wollen ihre Präsenz dokumentieren. Die Traditionen der Vereinigungen Normannia-Leipzig, Rheinfranken und die Burschenschaft Germania u.a. sind jedoch unerwünscht. Das Gedankengut, welches solche Gruppen mit teil­weise erheblichem und ungebührlichem Einfluss verkörpern, darf keine Relevanz mehr erlangen.

So unternahm die Stadt Marburg im Jahr 2013 den löblichen – aber leider gescheiterten – Versuch, den Auftrieb der rechten Horden auf dem Marktplatz zu verbieten. Dazu meinte der Hessische Verwaltungsgerichtshof, das Verwaltungsgericht in Gießen sei völlig zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid der Stadt Marburg vom 19. Juni 2013, mit dem die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gemäß § 16 des Hessischen Straßengesetzes (HStrG) zur Durchführung des sogenannten Marburger Marktfrühschoppens am 7. Juli 2013 unter Berufung auf einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 22. März 2013 abgelehnt worden sei, rechtswidrig sei, weil die Stadt Marburg bei Erlass dieses Ablehnungsbescheides das ihr vom Gesetz auferlegte Ermessen „nicht ordnungsgemäß“ ausgeübt habe (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 05. Juli 2013 – 2 B 1467/13). Warum sie dies nicht getan hat, nämlich ihr Ermessen ordnungsgemäß auszuüben, ist nicht nachvollziehbar, zu­mal fundamentale Bürgerrechte in diesem Verfahren wohl keine Rolle spielten.

Außerdem muss als ungeklärt angesehen werden, ob die Stadt Marburg alle tat­sächlichen und rechtlichen Mittel ausschöpfte, um dem braunen Spektakel auf dem Marktplatz ein Ende zu bereiten. Unbeein­druckt von der womöglich vermeidbaren Niederlage vor den Verwaltungsgerichten richtet sich der Widerstand der Bevölke­rung weiter gegen den „Marktfrühschoppen der Marburger Studentenverbindungen“, das finstere, bierselige Zusammenkommen rechter und ultrarechter Herren aus dem ganzen Bundesgebiet.

So war es auch am 6. Juli 2014. Schon sehr früh fanden sich ungefähr 50 bis 100 Personen auf dem Marktplatz ein und begannen mit ihrer Protestversammlung auf dem Marktplatz. Ihren politischen Unmut brachten sie mit Plakaten und verbal sowie mit anderen Hilfsmitteln friedlich zum Ausdruck.

Darauf reagierte der privat angeheuerte Sicherheitsdienst gereizt. Er drohte mit eigenhändiger Räumung und dem Einsatz von Pfefferspray.

Auf die Demonstration antwortete die Versammlungsbehörde der Stadt Marburg und die Polizeibehörde – wie gewohnt – mit einer Außerkraftsetzung der Grundrechte in der Marburger Oberstadt. Mittels eines erhöhten Polizeiaufgebots ließen die städtischen Verantwortlichen zunächst sämtliche Zuwege zur Oberstadt abriegeln. Auf diese Weise sind weitere Demonstranten unter Anwendung polizeilicher Gewalt daran gehindert worden, den angestrebten Kundgebungsort auf dem Marktplatz zu erreichen.

Das führte zu zusätzlichen Protestkundgebungen an verschiedenen Stellen in der Oberstadt. Ab etwa 9 Uhr war der Marktplatz komplett abgeriegelt und für andere Versammlungsteilnehmer nicht mehr erreichbar. Das war rechtswidrig, weil das Versammlungsrecht polizeifest ist.

Die meisten Demonstranten stauten sich zu­nächst in den abgeriegelten Gassen der Umgebung. Gegen 9.50 Uhr geschah das in der Barfüßer­straße. Zur gleichen Zeit trat eine aus zirka 25 behelmten Polizeibeamten bestehende Polizeieinheit aus Wiesbaden auf dem Marktplatz auf.

Was danach geschah, wird unterschiedlich geschildert. Eine Polizeisprecherin erklärte, die Versammlungsteilnehmer seien mit einem Lautsprecher angesprochen worden. Dies sei auf Veranlassung und in Zusammenarbeit mit der Versammlungsbehörde er­folgt. Die Versammlung sei aufgelöst worden. Die Versammlungsteilnehmer seien unter Androhung unmittelbaren Zwangs aufgefordert worden, den Marktplatz zu verlassen.

Die Betroffenen und viele Unbeteiligte bestätigten indessen, von einer Auflösung der Versammlung sei nicht die Rede gewesen. Sie hätten davon nichts gehört. Die Versammlungsteilnehmer berichteten, ihnen sei über ein Megaphon angeboten worden, den Versammlungsort zu verlegen. Die Versammlung habe andernorts .- zum Beispiel in der Barfüßerstraße – fortgesetzt werden sollen.

Um 9.55 Uhr flüchteten die Versammlungsteilnehmer auf die vor dem alten Rathaus aufgebaute Bühne. Dort setzten sie sich hin und gaben lauthals politische Parolen von sich, die von anderen Demonstranten, die unter Anderem in der Barfüßerstraße blockiert worden waren, erwidert und unterstützt wurden. Nun richteten sich die Proteste zusätzlich gegen das Vorgehen der Polizei.

Um 9.56 Uhr gab eine Polizeisprecherin nochmals eine Erklärung gegenüber den Versammlungsteilnehmern ab. Es soll sich um die Aufforderung gehandelt haben, die Bühne zu verlassen.

Im gleichen Moment begann die Polizei mit der mehr oder weniger unsanften Räumung der Bühne. Die Beamten trugen oder begleiteten die Bühnenbesetzer zu den anderen Demonstranten in der Barfüßerstraße. All dies geschah unter lautstarkem Protest. Um 10.16 Uhr war der Marktplatz geräumt.

Den Einsatz der Polizei beklatschten frühe Besucher des Marktplatzes unter anderem vom Café am Markt aus mit Applaus und rechten Sprüchen. Während des Einsatzes hatten sie zum Teil lautstark gefordert, die Polizisten mögen doch bitte richtig drauf hauen.

Nach der Räumung des Marktplatzes konnte mit dem Aufbau zur Durchführung des Marktfrühschoppens begonnen werden. Dieser begann mit reichlicher Verspätung.

Während die Burschenschafter sich das Bier in der prallen Mittagssonne in ihre hohlen Köpfe schütteten, ließen die Proteste bis weit nach der Mittagszeit nicht nach. Immer mehr Gegendemonstranten sickerten doch noch in das Gelände ein und beteiligten sich am Protest. Dabei gelang es der engagierten Blaskapelle nicht, sich gegen den Lärm der Demonstranten durchzusetzen. Dennoch blieb alles friedlich.

Würde unterstellt, dass die Angaben der Polizei zum Verlauf der Versammlung der Wahrheit entsprächen, so wäre ihr Vorgehen dennoch rechtswidrig gewesen. Die Versammlung war eine solche unter freiem Himmel. Sie war friedlich. Verbotsgründe lagen nicht vor.

Eine Versammlung verliert den Schutz des Artikel 8 des Grundgesetzes (GG) grundsätzlich aber nur bei kollektiver Unfriedlichkeit. Unfriedlich ist eine Versammlung nur, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl. BVerfGE 73, 206 ; 87, 399 ; 104, 92 ). Der Schutz des Art. 8 GG besteht zudem unabhängig davon, ob eine Versammlung an­meldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist (vgl. BVerfGE 69, 315 ; BVerfGK 4, 154 ; 11, 102 ). Er endet mit der r e c h t m ä ß i g e n Auf­lösung der Versammlung (vgl. BVerfGE 73, 206 ). Eine solche gab es nicht (siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 –, BVerfGE 69, 315-372).

Zum Schutz der rechten Burschenschaften war es nicht geboten, die Grundrechte in der Marburger Oberstadt am 6. Juli 2014 in der Zeit von zirka 9 Uhr bis zirka 15 Uhr außer Kraft zu setzen. Dies sollte nun endlich mal gerichtlich festgestellt werden, damit es die Vertreter der Stadt Marburg ebenso kapieren wie die Verantwortlichen der Polizeidirektion Marburg. Diesen fehlt jedwede Einsicht.

Tronje Döhmer

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