Geheimdienste vor Gericht – Meine Privatsphäre ist mir sehr teuer

Liebe Freundinnen und Freunde der Demokratie und der Meinungsfreiheit,

mit einem ausführlichen Schreiben wende ich mich heute an alle, denen die NSU-Mordserie, die weltweite Massenüberwachung durch die NSA, verfassungswidrige Späh-Aktionen des BND und die Aktivitäten dubioser V-Leute des Verfassungsschutzes ein Dorn im Auge sind. Gegen diese versammelten Attacken auf Privatsphäre und Meinungsfreiheit möchte ich eine Flamme des Einsatzes für Demokratie und Menschenrechte entfachen.
Die Aktivitäten der deutschen Geheimdienste und ihre Kooperation mit der National Security Agency (NSA) soll ein Geheimdiensttribunal der Humanistischen Union (HU) im Oktober 2016 in Berlin problematisieren. Für die Durchführung dieser Veranstaltung spende ich 2.500 Euro.

Für mich ist das sehr viel Geld. Mein monatliches Einkommen liegt unterhalb dieses Betrags. Doch dank glücklicher Umstände kann ich dieses Geld ausnahmsweise einmal entbehren.

Die hohe Summe verdeutlicht, wie wichtig mir das Geheimdiensttribunal ist. Gerne möchte ich deshalb andere Menschen bitten, auch kleine Beiträge für dieses Anliegen zu spenden. Wer wenig Geld hat, kann sich natürlich auch bei der Vorbereitung oder durch Ankündigung dieser Veranstaltung in seinem Bekanntenkreis sowie selbstverständlich durch seine Teilnahme engagieren.

Mindestens sieben Gründe haben mich zu dieser Spende bewegt:

Mich beschämt die rassistische Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und die immer noch nicht aufgeklärte Verstrickung des Verfassungsschutzes in diese menschenverachtenden Taten. Seit ich den Schwestern des Kasseler NSU-Opfers Halit Yozgad begegnet bin, empfinde ich den tiefen Wunsch, mich für die lückenlose Aufklärung der Morde und der Verstrickung des Verfassungsschutzes einzusetzen.

Mich besorgt die mangelnde Aufklärungsbereitschaft der Hessischen Landesregierung und ihres einstigen Innenministers und jetzigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, die den sogenannten „Quellenschutz“ beim Landesamt für Verfassungsschutz höher eingestuft haben als die Aufklärung eines Mordes. Seit mir klar wurde, dass ein Menschenleben anscheinend weniger zählt als die Geheimhaltund dubioser V-Leute, möchte ich mich für die Durchsetzung des Rechts auf Leben und Körperliche Unversehrtheit aller Menschen ohne Ansehen ihrer Herkunft oder Religion auch gegenüber Geheimdiensten einsetzen.

Mich beängstigt die Serie unglaublicher Todesfälle von V-Leuten, die vor Ausschüssen oder Gerichten aussagen sollten und wenige Tage vor dem jeweiligen Termin in relativ jugendlichem Alter an plötzlich auftretenden „Krankheiten“ gestorben sind. Wenn ich dieses mulmige Gefühl nicht in mich hineinfressen will, dann muss ich hier zumindest den Mund aufmachen und meine Angst vor Verbrechen eines „Tiefen Staats“ artikulieren.

Mich bekümmert die weiterhin anhaltende Ausspähung von Millionen Menschen durch die NSA und die offenkundig fehlende Bereitschaft der zuständigen Stellen in der Bundesrepublik, die Bürgerinnen und Bürger vor diesem kriminellen Zugriff auf ihre persönlichen Daten zu schützen. Nachdem ich mir das gigantische Ausmaß dieser Datenerfassung klar gemacht habe, scheint mir George Orwells Roman „1984“ eine vergleichsweise harmlose Vorwegnahme der drohenden Gefahren eines Überwachungsstaates zu sein.

Mich ärgert die Dreistigkeit, mit der der Bundesnachrichtendienst (BND) angebliche „Theorien“ erfindet, mit denen er offenkundig verfassungswidrige Abhöraktionen gegen Bundesbürger und Einrichtungen in der Europäischen Union (EU) zu rechtfertigen versucht. Da ich den Eindruck gewinne, dass sich Geheimdienste als „Staat im Staate“ gebärden, der sich jedem Recht entzieht, halte ich eine öffentliche Kritik an diesen Zuständen für unerlässlich.

Mich bekümmert die Tatsache, dass Verfassungsschutz und BND trotz aller Skandale noch mehr Geld und mehr Befugnisse erhalten. Wenn ich tatenlos zusehen muss, wie man den Bock zum Gärtner macht und „szenetypische“ Straftaten von V-Leuten straffrei stellt, dann verkrampft sich mein demokratisches Gewissen bis zur Übelkeit.

Mich betrübt die scheinbare Gleichgültigkeit, mit der viele Bürgerinnen und Bürger die andauernde Überwachung durch Geheimdienste offenbar hinnehmen. Weil ich nicht sagen möchte, dass ich nichts habe tun können, will ich wenigstens das Mögliche versuchen, um Demokratie, Meinungsfreiheit und den demokratischen Rechtsstaat zu schützen.

Deshalb unterstütze ich die Veranstaltung „Geheimdienste vor Gericht“ im Oktober 2016 in Berlin sowohl mit einer Geldspende als auch durch meine Mitarbeit im Koordinierungskreis und die Organisation einer Mobilisierungsveranstaltung in Marburg.

Mir ist bewusst, dass 2.500 Euro wenig sind gegen die Millionen- oder gar Milliardenbeträge, die den Geheimdiensten für ihre Desinformationskampagnen zur Verfügung stehen. Mir ist klar, dass eine einzige Veranstaltung die Welt nicht zum Guten wenden wird. Aber ich möchte gerne meinen Beitrag dafür leisten, dass wenigstens der Versuch unternommen wird, verfassungswidrige Praktiken von BND und Verfassungsschutz anzuprangern und ihre weitere Ausbreitung einzudämmen.

Mein Wunsch ist, dass die skandalösen Geheimdienstzustände öffentlich debattiert werden. Meine Hoffnung ist, dass das Geheimdiensttribunal möglichst viele Menschen aufrüttelt und den Diensten ihre klandestinen Rechtsbrüche erschwert. Darum bitte ich alle, je nach ihren individuellen Möglichkeiten einen Beitrag für den Schutz von Demokratie und Meinungsfreiheit zu leisten.

Wir treffen uns hoffentlich zahlreich im Oktober in Berlin.

Bis dahin!

Mit freundlichen Grüßen

Franz-Josef Hanke

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