Für einen Ausstieg der katholischen Kirche aus der staatlichen Schwangerschaftsberatung hat sich die Mitgliederversammlung der Humanistischen Union am 29. September in Marburg einstimmig ausgesprochen. Der HU-Ortsverband Marburg fordert in einer Resolution: Die katholische Kirche soll sich aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung zurückziehen.
Gegenwärtig entsteht eine gesellschaftliche Situation, in der konservative Kräfte in der katholischen Kirche ungewollt ein Ziel befördern, das dem laizistischen Ideal einer strikten Trennung von Staat und Kirche entgegenkommt. Die Erzbischöfe Johannes Dyba (Fulda) und Johannes Meißner (Köln) nehmen – zu Recht – Anstoß an der Doppelzüngigkeit und Doppelmoral, die den bisher praktizierten „Kompromiß“ auszeichnet:
Die katholischen Beratungsstellen versehen ihren Schein, der zur Abtreibung staatlich legitimiert, mit dem Zusatz „Diese Bescheinigung kann nicht zur Durchführung einer straffreien Abtreibung verwendet werden.“ Just dies geschieht aber und just dies ist der einzige Sinn der Bescheinigung.
Ein Rückzug der katholischen Kirche aus diesem System wäre daher ein Schritt zur geistig-politischen Klarheit, ein Schritt weg von wortreicher Doppelzüngigkeit und demoralisierender Doppelmoral. Denn dieser Aufdruck, der dem Papst Rechnung tragen soll und daher von vielen politischen Kräften begrüßt, zumindest toleriert wird, ist eine zynische Irreführung, über die Empörung angebracht ist. Insofern dient das Nein des Papstes und konservativer Bischöfe gegen diesen Aufdruck und das ganze System durchaus einer gewissen Klarheit. Andererseits verdeutlicht die päpstliche Einmischung in das deutsche Abtreibungsrecht erneut das Wesen der römisch-katholischen Kirche: Es handelt sich um ein zentralistisches, absolutistisches, patriarchales und frauendeindliches Gebilde, in dem demokratische Prinzipien nur eine geringe Rolle spielen. Dem Modell einer konsequenten Trennung von Staat und Religion, hier vornehmlich der Trennung von Staat und Kirche, würde mit dem katholischen Rückzug ein Dienst erwiesen. Der Weg zur Entkonfessionalisierung, der im Schulwesen (von Relikten abgesehen) weit vorangekommen ist, muß auch hier beschritten werden. Oder erheben sich schon irgendwo Stimmen, die auch jüdische, islamische, buddhistische Schwangerschaftsberatungen fordern?
Das Recht einer Katholikin, die schwanger ist und sich wegen einer Abtreibung bei einer katholischen Stelle beraten lassen will, bleibt von dieser laizistischen Position unberührt.
Dragan Pavlovic