Kein Kriegerdenkmal in Bortshausen! – Osterspaziergang protestiert gegen militaristische Traditionspflege

„Das wird nicht ohne unseren Protest geschen“, kündigte Karsten Engewald an. Deshalb hat der Mitbegründer der Bürgerinitiative gegen ein Kriegerdenkmal in Bortshausen auch zu einem „Osterspaziergang in den südöstlichen Marburger Stadtteil mobilisiert.

Gemeinsam mit Vertretern einiger der 24 beteiligten Organisationen stellte er am Montag (2. April) im Gewerkschaftshaus an der Bahnhofstraße die Aktion und ihre Hintergründe vor. Sie richtet sich gegen die Aufstellung eines Kriegerdenkmals aus Kaiser Wilhelms Zeiten auf einem Privatgrundstück in Bortshausen.

Im Mai 2011 hatte die Kameradschaft Marburger Jäger das alte Denkmal dort aufgestellt. Von dieser Aktion waren die Bewohner völlig überrascht worden.

Nachfragen haben nach Engewalds Angaben jedoch ergeben, dass die Stadt Marburg das Kriegerdenkmal im Bereich der Kernstadt nicht hatte dulden wollen, eine Aufstellung nahe des Stadtrands aber sogar mit 1.000 Euro unterstützt habe. Die Bortshäuser hingegen wollten dieses militaristische Symbol ebenfalls nicht akzeptieren, zumal die Kameradschaft nunmehr regelmäßig allerlei Aktionen auf dem Grundstück zelebriere. Das alte Fachwerkhaus werde inzwischen sogar schon als „Jägerkaserne“ tituliert.

In einer Zeit, da die Deutsche Bundeswehr sich wieder an Kriegseinsätzen beispielsweise in Afghanistan und am Horn von Afrika beteiligt, wollen Gewerkschafter und Friedensgruppen einer „schleichenden Militarisierung der Gesellschaft“ bewusst entgegentreten, erklärte Jan Schalauske von der Linken. Deswegen rufen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), mehrere Einzelgewerkschaften sowie Friedensgruppen, Bürgerrechtsorganisationen wie die Humanistische Union Marburg und andere Vereine zu einem Osterspaziergang nach Bortshausen auf.

Beginnen soll die Demonstration am Ostersonntag (9. April) um 11 Uhr beim Stadtbüro an der Frauenbergstraße. Von dort ziehen die Kriegsgegner nach Cappel, wo es gegen 11.45 Uhr eine Zwischenkundgebung geben soll. Enden soll der Protestzug mit einer Abschlusskundgebung gegen 14 Uhr unmittelbar vor dem Grundstück mit dem Kriegerdenkmal.

Für die Veranstalter ist die Demonstration freilich nicht nur eine Wiederaufnahme der „Ostermärsche“ aus den späten 50er und 60er sowie den frühen 80er Jahren. Vielmehr richtet sich ihr Protest auch gegen die rechtspopulistische „Traditionspflege“ der Kameradschaft Marburger Jäger.

Während der Verein selbst seine Gründung auf das Jahr 1813 datiere, konnte Thomas Werther von der Geschichtswerkstatt Marburg für diese Zeit keine historischen Belege finden. Eine Armee-Einheit „Marburger Jäger“ wurde seinen Recherchen zufolge im Jahr 1866 gegründet. Bis 1919 habe sie als Bestandteil der preußischen und später der deutschen Armee existiert.

Nach ihrer Auflösung während der Weimarer Republik hätten sich Ehemalige in einer Kameradschaft zusammengeschlossen. Ab 1933 habe dann eine Einheit der SA den Namen „Marburger Jäger“ übernommen. Sie sei – ebenso wie die Traditionsvereine – nach Ende des Zweiten Weltkriegs durch aliierten Beschluss verboten worden.

„1979 war dann plötzich wieder eine Kameradschaft Marburger Jäger da“, berichtete Werther. Wie sie auf ihre mehr als 500 Mitglieder kommen konnte, ist ihm aber bis heute unverständlich.

Die Behauptung des Vereins, nur friedliche Zwecke zu verfolgen, entspreche nicht der Selbstdarstellung der Kameradschaft beispielsweise im Internet. Vielmehr belegten ihre historischen Kriegstagebücher die Beteiligung der Marburger Jäger an der Niederschlagung der zweiten Pariser Commune, an der Niederwerfung des Boxer-Aufstands in China, dem Völkermord an den Hereros in Namibia und am Massaker im thüringischen Mechterstädt. All dieser Mordtaten rühmten sich die Jäger selbst, erklärte Werther.

Außerdem hat der Historiker auch Verbindungen der Kameradschaft zu neofaschistischen Kreisen ausgemacht. Engewald berichtete, er selbst werde auf Neonazi-Seiten im Internet sowie von Vertretern der Kameradschaft bedroht. Dieser Einschüchterung will er sich aber nicht beugen.

Franz-Josef Hanke

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