Konkret werden insbesondere das »heimliche Eindringen in ein informationstechnisches System zum Zwecke einer repressiven Quellen-Telekommunikationsüberwachung«, die Online-Durchsuchung, »spezielle Herausgabepflichten bzgl. Verkehrsdaten« und die Vorratsdatenspeicherung verlangt.
Der Deutschen Juristentag fordert damit die Ausweitung heimlicher Überwachungsmaßnahmen, obwohl diese aus gutem Grunde von weiten Teilen der Öffentlichkeit als Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit des Bürgers skeptisch betrachtet werden. Bereits heute werden Verbindungs- und Standortdaten und die Identität von Telefon-, Mobiltelefon-, E-Mail- und Internetnutzern in Strafverfahren standardmäßig abgefragt. Die Bundesnetzagentur hat allein für das Jahr 2009 4,5 Mio. Auskunftsersuchen deutscher Sicherheitsbehörden ermittelt. Bei solchen Maßnahmen werden regelhaft Informationen über eine große Anzahl Unbeteiligter ohne deren Wissen erhoben und an die Polizei weitergegeben.
Dabei beschränkt sich die Informationsauswertung nicht allein auf die schlichten Verbindungsdaten, sondern macht über die Begleitumstände der Kommunikation (Geodatenanalyse, Auswertung mobilerTransaktionen) auch Handlungen und Neigungen aus dem Privatleben sichtbar.
Der Schutz dieser Daten vor dem Zugriff des Staates wird umso bedeutsamer, je mehr alle privaten Lebensbereiche von digitalen Kommunikationsmedien und Mobilfunknetzen abhängen. Die Freiheit, unbeobachtet zu kommunizieren, muss daher in Zukunft besser geschützt und nicht etwa abgebaut werden.
Wissenschaftliche Untersuchungen in jüngerer Zeit stellen den Nutzen beispielsweise der Vorratsdatenspeicherung bei der Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten ohnehin in Frage. Erst dieser Tage musste der Bundesdatenschutzbeauftragte erneut darauf hinweisen, dass Telekommunikationsunternehmen weiterhin in großem Umfang persönliche Daten von Kunden speicherten, die weit über das hinausgehen, was zur Abrechnung der Verbindungen erforderlich und zulässig wäre.
Abzulehnen ist auch die von dem Deutschen Juristentag geforderte Einführung der Online-Durchsuchung zur Strafverfolgung. Es ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass das erst im letzten Jahr durch den Chaos Computer Club aufgedeckte Problem, dass die von den Behörden in Deutschland verwandten Trojaner-Software nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen konnte, weiterhin ungelöst ist.
Das Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein und der Chaos Computer Club lehnen diese Beschlüsse des Deutschen Juristentages deshalb ab. Sie weisen schließlich darauf hin, dass der Deutsche Juristentag als privater Verein nicht die Juristinnen und Juristen in Deutschland repräsentiert. In der Abteilung Strafrecht haben nur ca. 80 Teilnehmende abgestimmt.
Für Rückfragen stehen zur Verfügung:
Dipl. Inf. Constanze Kurz, Sprecherin des CCC, mailto:presse at ccc.de
Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, Vorstandsmitglied im RAV, Tel.: 030 44679224
Rechtsanwalt Jasper von Schlieffen, Geschäftsführer des Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, Tel.: 030 3101820