„Früher war alles besser“, seufzen viele. Dieser Behauptung muss ich energisch widersprechen. Wer hätte wohl vor 50 Jahren geglaubt, was heute Wirklichkeit ist?
In den 50er und 60er Jahren gehörte die Prügelstrafe noch zum verbreiteten Repertoire der Kindererziehung. Unverheiratete Mütter wurden ebenso ausgegrenzt wie uneheliche Kinder. Behinderte wurden als „Krüppel“ beschimpft und in Heime abgedrängt.
Homosexuelle mussten wegen ihrer sexuellen Orientierung Gefängnisstrafen fürchten. Roma und Sinti wurden grundlos in einer „Landfahrerkartei“ erfasst und standen unter dem Generalverdacht, für alle Diebstähle und andere Straftaten in der Umgebung verantwortlich zu sein. Ohne Unterschrift ihres Ehemanns konnten verheiratete Frauen kein eigenes Konto eröffnen.
Seither haben wir viel erreicht: Die „Ehe für alle“ ist ebenso eine Errungenschaft hartnäckigen Eintretens für gesellschaftlichen Fortschritt wie die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UNBRK) oder die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in kirchlichen Einrichtungen oder Kinderheimen. Gewalt gegen Kinder und Frauen ist ebenso tabu wie autoritäres Verhalten am Lehrerpult und in der Chefetage.
Natürlich gibt es nicht nur Fortschritte. Mit der technischen Entwicklung haben sich deren Chancen für ein leichteres Leben dank Waschmaschine und Staubsauger ebenso vergrößert wie die Gefahren eines Missbrauchs durch Vorratsdatenspeicherung und Massenüberwachung.
Notwendig ist deshalb ein gesellschaftlicher Kampf für einen menschenfreundlichen Fortschritt. Dazu ist eine kritische Debatte über mögliche Gefahren und gesellschaftlichen Nutzen ebenso unerlässlich wie das Eintreten für Demokratie und Meinungsfreiheit als Voraussetzungen für derartige Diskussionen. Dabei ist jede Stimme wichtig.
Den großen Konzernen und dem Missbrauch ihrer Marktmacht auch mit Hilfe von Betrug, Datenklau und Erpressung müssen die Menschen ihre Macht als Verbraucherinnen und Verbraucher entgegensetzen. Der Korruption von Politik durch eben diese Konzerne müssen die Wahlberechtigten ein klares Votum für Transparenz und Freiheitsrechte entgegensetzen. Dafür sollten sie sich in Bürgerrechtsorganisationen wie der Humanistischen Union (HU) zusammenschließen oder solche Organisationen unterstützen.
Den Ängstlichen müssen die Mutigen entschieden und zugleich menschlich entgegentreten. Parteien wie die sogenannte „Alternative für Deutschland“ (AfD) wollen zurück in die 50er oder gar in die 30er und 40er Jahre. Diese Zeit war aber kein „Vogelschiss“, sondern der unfassbare Exzess mörderischen Machtmissbrauchs durch menschenverachtende Faschisten und ihre Helfer.
Faschismus kann man aber nur mit demokratischer Gesinnung und Menschlichkeit begegnen. All die Errungenschaften der letzten 50 Jahre sind den Fleiß der Tüchtigen wert, sich für diesen Fortschritt einzusetzen. Ein gutes Leben gibt es letztlich nur in Freiheit und Fortschritt nur in einem gesellschaftlichen Umfeld von Solidarität und kultureller Vielfalt.