Gift, Gentech, Großmacht – Thomas Dürmeier sprach über die Fusion von Bayer&Monsanto

„Viele reden von Wettbewerb, aber wenige setzen sich dafür ein.“ Das ist der Grund, warum Dr. Thomas Dürmeier sich nicht nur gegen die geplante Fusion von Bayer und Monsanto engagiert.
Unter dem Titel Gift, Gentech, Großmacht – Bayer & Monsanto sprach der Wirtschaftswissenschaftler am Dienstag (14. November) vor knapp 40 Zuhörenden im Marburger Weltladen über die Folgen der zunehmenden Konzentration im Saatgutmarkt. Im ersten Quartal 2018 steht eine Entscheidung der EU-Kommission über die Fusion der beiden Agro- und Chemiegiganten aus. Vorher möchte Dürmeier mit seiner neu gegründeten Organisation Goliathwatch Druck auf die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in Brüssel machen.
„Es gibt eine sehr geringe Chance, diese Fusion zu verhindern“, erklärte er. Doch hält er einen Erfolg für durchaus möglich. Wichtig sei ein starker öffentlicher Druck auf die Behörden, die Fusion nicht oder nur unter strengen Auflagen zu genehmigen.
Mit der Fusion der sechs größten Konzerne im Saatgut- und Pflanzenschutzsektor zu nur mehr drei Multis würden diese Firmen zusammen 60 Prozent des betreffenden Markts beherrschen. Für Demokratie, Landwirtschaft und Umwelt hätte das nach Dürmeiers Überzeugung fatale Folgen. Insbesondere die Menschen in den ärmeren Ländern würden dann voraussichtlich noch stärker in die Abhängigkeit der Saatgutkonzerne geraten.
Buchstäblich „in aller Munde“ ist das Pflanzengift „Glyphosat“. Studien weisen dieses Gift in 96 Prozent aller untersuchten Biersorten sowie gut 80 Prozent der Urinproben von Menschen nach. Trotz der vermuteten Krebsgefahr hat Monsanto es bislang geschafft, ein Verbot dieses Mittels zu verhindern.
Der US-amerikanische Konzern verfügt über ein Patent auf Mais, der gegen Glyphosat resistent ist. Damit könnte man das Gift das ganze Jahr über spritzen, ohne die Aussaat zu schädigen. Gleichzeitig bestünde aber die Gefahr, dass sich resistente Pflanzen ungewollt ausbreiten und dann kaum mehr mit Pflanzengiften zu vernichten seien.
Die schiere Größe des neuen Multis würde nicht nur seine Marktmacht vergrößern und der Landwirtschaft weitere Wahlmöglichkeiten nehmen, sondern zugleich auch seinen Einfluss auf die Politik verstärken. Seine Demokratieverachtung hatte Monsanto erst kürzlich unter Beweis gestellt, als seine Vertreter in Brüssel der Einladung zu einer Anhörung des Europäischen Parlaments nicht Folge leisten wollte und ihm das Parlament daraufhin seinen Lobbyisten-Status und die Haus-Ausweise entzog. Dürmeier fürchtet, dass nach einer Fusion auch Bayer die ruppigen Methoden von Monsanto übernehmen könnte.
„Derzeit entwickelt Bayer eine App für den Kuhstall“, berichtete der Wettbewerbsschützer. Sie soll alle medizinischen Werte der Kühe erfassen und dann die entsprechenden Maßnahmen bei Fütterung, beim Melken und der Verabreichung von antibiotika veranlassen.
Drohnen und selbstfahrende Traktoren kämen hinzu, verkündete Dürmeier. „Das Gold des 21 Jahrhunderts sind Daten“, sagte er; und auch Bayer verfolge diese Entwicklung sehr aktiv.
Mit „Amazon Fresh“ würden die Lebensmittel dann direkt ins Haus geliefert. Traditionelle bäuerliche Strukturen und der Einzelhandel vor Ort gerieten dadurch mehr und mehr unter Druck. Zudem wende sich Amazon neuerdings auch dem Medikamentenhandel zu.
Doch jeder Euro, den ein Produkt der industriellen Landwirtschaft koste, verursache für die Umwelt und die Gemeinschaft Kosten in der doppelten Höhe. Die Behauptung, Bayer und Monsanto wollten die Ernährung einer wachsenden Bevölkerung durch ihre Fusion sichern, werde durch die Tatsache widerlegt, dass die klassische Landwirtschaft auf 30 Prozent der Agrarflächen 70 Prozent der Erträge erwirtschafte.
Zunehmende Marktmacht führe zu „Monstermultis“, die finanziell stärker seien als Staaten, berichtete Dürmeier. Regierungen und vor allem die Bürger seien gegen solche Konzerne nahezu wehrlos.
„Die Politik erklärt dann immer, eine strengere Fusionskontrolle schade der Wirtschaft“, fuhr Dürmeier fort. Doch gerade die Fusionskontrolle sichere Wettbewerb und damit Vielfalt. Zudem sei „die Wirtschaft“ nicht, wie häufig unterstellt, allein das Unternehmertum, sondern Wirtschaft seien auch die Beschäftigten, Gewerkschaften und Verbraucher.
„Wettbewerbsvorteile“ durch „Standortpolitik“ geißelte Dürmeier als „Wirtschaftsnationalismus“. Wenn Deutschland sich selbst als Exportweltmeister feiere, bleibe dabei außen vor, dass diese Exporte nur durch die Verschuldung anderer möglich würden. „Die faulen Griechen haben in der Vergangenheit zu viel bei den Deutschen eingekauft“, stellte Dürmeier klar.
Abkommen wie CETA und TTIP seien eine Form von „Wirtschaftskrieg gegen die bösen chinesen“, erklärte der Volkswirt. Der sogenannte „Freihandel“ vernebele die Realität, dass es in Wahrheit um immer mehr Marktmacht für immer weniger Multinationale Konzerne gehe. Gegen Fusionen solcher Großkonzerne müsse man deswegen im Interesse des fairen Wettbewerbs und der Demokratie eintreten.
Kartellbehörden seien mit dieser Aufgabe völlig überfordert. 350 Beschäftigte des Bundeskartellamts in Bonn müssten 80.000 Unternehmen in Deutschland überwachen und gleichzeitig die öffentliche Auftragsvergabe aller Kommunen. Das sei personell überhaupt icht leistbar.
Deswegen möchte Dürmeier Fusionskontrolle und Konzernmacht zum Thema zivilgesellschaftlichen Engagements machen. Bayer und Monsanto werden dabei nicht die letzten Konzerne bleiben, die kritisch zu beobachten sind. Die gefährlichste Konzentration hat Dürmeier bei Google ausgemacht, das 90 Prozent aller Suchmaschinenanfragen weltweit mit intransparenten Algorithmen auswertet.

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